In der Oase unserer Traeume
bestimmt nur ein grausamer Scherz gewesen war.
Jamilah hatte sich oft gefragt, ob die Dunkelheit, die sie in Salman spüren konnte, etwas mit den Geschehnissen zu tun hatte, die vor vielen Jahren in Merkazad stattgefunden hatten. Damals war sie erst zwei Jahre alt gewesen. Al-Omar war nicht bereit gewesen, Merkazads Unabhängigkeit anzuerkennen. Mit seiner gesamten Armee hatte der Sultan versucht, den kleinen Staat für sein Reich zurückzuerobern.
Salman, sein Bruder und seine Eltern waren damals für drei lange Monate im Inneren des Palastes gefangen. Für das gesamte Land war dies eine schwierige Zeit, und niemand wusste, was Nadim und Salman in den Wochen der Gefangenschaft erlebten.
Noch Jahre nach der Befreiung duldete Salman niemanden in seiner Nähe. Selbst sein eigener Bruder und seine Eltern durften ihm nicht zu nahe kommen. Jamilah war die einzige Person, der er erlaubte, ihm Gesellschaft zu leisten.
Er selbst sprach bei ihren Treffen nicht viel, sondern lauschte nur stundenlang ihrem fröhlichen Geplauder. Als Jamilah älter wurde, erzählte sie in seiner Gegenwart nicht mehr viel, sondern lief nur feuerrot an. Trotzdem gab Salman ihr nie das Gefühl, dass sie unerwünscht war.
An dem Tag seiner Abreise aus Merkazad kam er zu ihr. Jamilah war damals gerade sechzehn Jahre alt und hoffnungslos in ihn verliebt. Als er ihr zum Abschied sanft mit seinem Finger über ihre Wange strich, waren seine Augen so leer und trostlos, dass Jamilah ihn am liebsten in die Arme genommen und getröstet hätte.
Doch er sagte nur: „Wir sehen uns, Kleines.“
Es war jene Verbundenheit, von der Jamilah später in Paris geglaubt hatte, dass sie wieder zum Leben erwacht und aufgeblüht war.
Aber nach dem heutigen Abend musste sie einen Strich unter ihre Vergangenheit mit ihm ziehen. Sie musste endlich begreifen, dass es keine Rechtfertigung für Salmans Verhalten gab.
Er war skrupellos und nur an seinem eigenen Wohlergehen interessiert, und er war schon immer so gewesen. Bisher war sie nur zu verliebt gewesen, um es zu bemerken.
3. KAPITEL
Heute
Scheich Salman bin Kalid al Saqr beobachtete die Schatten der Rotorblätter des Hubschraubers, die sich wie große dunkle Schlangen über die schroffe Felslandschaft unter ihm bewegten. In der Ferne erahnte er bereits die Silhouette von Merkazad. Hoch über allem thronte der weiße Palast, sein Geburtsort und sein Zuhause.
Zum ersten Mal seit zehn Jahren kehrte Salman in sein Heimatland zurück. So oft hatte er versucht, die Vergangenheit auszublenden, und doch erinnerte er sich an seinen letzten Tag in Merkazad, als wäre es gestern gewesen.
Er hatte eine hitzige Diskussion mit seinem Bruder gehabt. Sie hatten sich in Nadims Büro gegenübergestanden, wo dieser seit seinem zwanzigsten Geburtstag die Staatsgeschäfte regelte.
Salman wusste, dass er dazu niemals imstande wäre. Nicht, weil er die nötigen Fähigkeiten nicht besitzen würde, sondern weil er im Alter von acht Jahren auf schreckliche Weise für sein Volk eingestanden hatte. Seit damals verband er jede Person in Merkazad mit seiner furchtbaren Vergangenheit.
Wie um ihm zu widersprechen, stieg Jamilahs Bild in Salman auf. Vom ersten Moment an hatte er eine tiefe Verbindung zu ihr gefühlt. Er wusste nicht, ob er ohne sie wieder ins Leben zurückgefunden hätte. Doch dann hatte er ihr auf grausame Art und Weise eingeredet, all das wäre nur ein Produkt ihrer Fantasie und vollkommen bedeutungslos gewesen.
Salman vertrieb die Gedanken an Jamilah aus seinem Kopf und dachte wieder an seinen Bruder.
„Dein Platz ist hier! Hier ist dein Zuhause!“, hatte Nadim ihn angeschrien. „Ich brauche dich an meiner Seite. Wir müssen zusammenhalten, um gemeinsam als Herrscher von Merkazad stark zu sein.“
Salman erinnerte sich, wie ausgebrannt er sich gefühlt hatte. Er brauchte seine Freiheit. Die feurige Leidenschaft seines Bruders war ihm so fern. Seit jenen drei Monaten in Gefangenschaft fühlte er sich unendlich viel älter und verbrauchter als Nadim.
„Merkazad ist dein Land, Bruder, nicht meins. Ich werde mein eigenes Leben führen, und du hast kein Recht, mir zu sagen, wie ich es zu leben habe“, hatte Salman erwidert.
Er konnte in diesem Moment den Kampf sehen, der im Inneren seines Bruders stattfand, doch unter Salmans warnendem Blick verließ der Kampfgeist Nadim. Das Gewicht ihrer Vergangenheit war zu erdrückend.
Beim Anblick seines älteren Bruders durchfuhr Salman jedes Mal bitterer Neid. Nadims
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