Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
Rhythmus so weit stabil, ein wenig tachykard, aber keine Extrasystolen. Systolischer Druck bei neunzig. Wir haben vor Ort Morphium und Nitroglyzerin verabreicht, Sauerstoff ist auf sechs Liter eingestellt.« Alle waren hundertprozentig auf Draht. Während Anna Krankengeschichte und Befund aufnahm, schlossen die Krankenschwestern das EKG an. Die Maschine begann die Herzfrequenz anzuzeigen. Jack riss das Blatt aus dem Drucker; die ST-Hebungen in den V1- und V2-Anschlüssen fielen ihm sofort ins Auge.
    »Früherer Myokardinfarkt«, sagte er zu Anna.
    Sie nickte. »Ich hab mir gleich gedacht, dass er ein Kandidat für tPA ist.«
    Eine Krankenschwester rief durch die Tür: »Der nächste Rettungswagen ist angekommen!«
    Jack und die zwei Schwestern liefen hinaus.
    Eine junge Frau lag schreiend und sich windend auf der Trage. Jack warf einen Blick auf ihr verkürztes rechtes Bein mit dem fast gänzlich zur Seite gedrehten Fuß und wusste, dass diese Patientin sofort in die Chirurgie gehörte. Rasch schnitt er ihre Kleider auf und legte eine eingestauchte Hüftfraktur frei, bei der sich der Oberschenkelknochen durch den Aufprall des Knies auf das Armaturenbrett tief in die Gelenkpfanne gebohrt hatte. Allein beim Anblick ihres grauenhaft verdrehten Beins wurde ihm fast übel.
    »Morphium?«, fragte die Krankenschwester.
    Er nickte. »Geben Sie ihr so viel, wie sie braucht. Sie hat ungeheure Schmerzen. Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe, sechs Einheiten. Und schaffen Sie so schnell wie möglich einen Orthopäden …«
    »Dr. McCallum sofort in die Röntgenabteilung! Dr. McCallum sofort in die Röntgenabteilung!«
    Jack blickte erschrocken auf.
Debbie Haning.
Er stürzte aus dem Zimmer.
    Debbie lag auf dem Röntgentisch; die Schwester aus der Notaufnahme und der Röntgenassistent beugten sich über sie.
    »Wir waren gerade mit den Wirbel- und Schädelaufnahmen fertig,« sagte der Assistent, »und jetzt kriegen wir sie nicht mehr wach. Sie reagiert nicht mal auf Schmerz.«
    »Wie lange ist sie schon ohne Bewusstsein?«
    »Ich weiß nicht. Sie hat schon zehn, fünfzehn Minuten auf dem Tisch gelegen, bevor wir gemerkt haben, dass sie nicht mehr mit uns redet.«
    »Haben Sie schon die CT gemacht?«
    »Der Computer ist abgestürzt. Das dauert ein paar Stunden, bis er wieder läuft.«
    Jack leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe in Debbies Augen und hatte plötzlich das unangenehme Gefühl, sein Magen befände sich im freien Fall. Ihre linke Pupille war geweitet und ohne Reaktion.
    »Zeigen Sie mir die Aufnahmen.«
    »Der C-Wirbel hängt schon am Lichtkasten.«
    Jack ging rasch in den Nebenraum und betrachtete die Röntgenaufnahmen, die an dem von hinten beleuchteten Schaukasten aufgehängt waren. Er sah keine Frakturen; die Halswirbelsäule war stabil. Er riss die Bilder herunter und ersetzte sie durch die Röntgenaufnahmen des Schädels. Auch hier sah er auf den ersten Blick nichts unmittelbar Auffälliges. Doch dann fiel sein Blick auf eine kaum wahrnehmbare Linie, die sich quer über das linke Schläfenbein zog. Sie war so fein, dass sie mit einer Nadel in den Röntgenfilm geritzt schien. Eine Fraktur.
    War die linke mittlere Hirnhautarterie angerissen? Das würde zu Blutungen im Schädel führen. Durch das sich ansammelnde Blut und den wachsenden Druck würde das Gehirn zusammengequetscht werden. Das erklärte die rapide Verschlechterung ihres mentalen Zustands und die geweitete Pupille.
    Das Blut musste sofort drainiert werden.
    »Bringen Sie sie zurück in die Notaufnahme!«, sagte er.
    Innerhalb von Sekunden hatten sie Debbie auf der fahrbaren Trage festgeschnallt und rollten sie im Laufschritt durch den Korridor. Als sie mit ihr in einen freien Behandlungsraum fuhren, rief er der Stationsschwester zu: »Piepsen Sie sofort die Neurochirurgie an! Sagen Sie, wir haben hier eine Epiduralblutung und bereiten eine Nottrepanation vor.«
    Er wusste, dass Debbie eigentlich in den OP musste, aber ihr Zustand verschlechterte sich so rapide, dass sie keine Zeit verlieren durften. Der Behandlungsraum würde als OP herhalten müssen. Sie hoben sie auf den Tisch und verkabelten ihre Brust mit EKG-Schnüren. Ihre Atmung war jetzt unregelmäßig; es war Zeit, sie zu intubieren.
    Er hatte eben die Packung mit dem Endotrachealtubus aufgerissen, als die Schwester sagte: »Sie atmet nicht mehr!«
    Er schob das Laryngoskop in Debbies Rachen. Sekunden später war der Tubus an Ort und Stelle, und Sauerstoff wurde in ihre Lungen gepumpt.
    Eine

Weitere Kostenlose Bücher