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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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der vor ihr auf dem Tisch lag und glänzte. »Jack versteht ihn«, sagte sie leise. »Es war auch sein Traum. Das hat unsere Beziehung zerstört, weißt du. Dass ich fliegen darf und er nicht. Dass er ausgeschlossen ist.«
    »Dann muss er endlich erwachsen werden und sich mit der Realität abfinden. Nicht jeder hat das Zeug dazu.«
    »Weißt du, ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du von ihm nicht wie von irgendwelchem Ausschuss reden würdest.«
    »Entschuldige mal, schließlich ist er selbst zurückgetreten.«
    »Was hätte er denn anderes tun sollen? Er wusste, dass er nie mehr einen Flugeinsatz bekommen würde. Wenn sie dich nicht fliegen lassen, hat es keinen Sinn, dem Korps anzugehören.«
    »Dass sie ihn aus dem Verkehr gezogen haben, geschah nur zu seinem Besten.«
    »Es waren bloße medizinische Vermutungen. Wenn man einmal einen Nierenstein hat, bedeutet das noch nicht, dass man wieder welche bekommen wird.«
    »Okay, Dr. Watson – Sie sind die Ärztin. Aber sag mir eins: Würdest du Jack in deiner Shuttle-Crew haben wollen? Obwohl du von seinem gesundheitlichen Problem weißt?«
    Sie schwieg einen Moment. »Ja. Wenn ich als Ärztin sprechen soll – ja, auf jeden Fall. Es ist überhaupt nicht gesagt, dass Jack im All irgendwelche Schwierigkeiten haben würde. Er hat so viel zu bieten, dass ich mir nicht vorstellen kann, weshalb
die
ihn nicht da oben haben wollen. Ich lasse mich vielleicht von ihm scheiden, aber ich respektiere ihn trotzdem.«
    Kittredge lachte und trank dann sein Glas in einem Zug leer. »Du bist in der Angelegenheit nicht gerade objektiv, was?«
    Sie versuchte ihren Standpunkt zu begründen, doch dann wurde ihr klar, dass sie eigentlich keine Argumente hatte. Kittredge hatte Recht. Wenn es um Jack McCallum ging, war sie noch nie objektiv gewesen.
    Draußen in der feuchten Hitze der Houstoner Sommernacht blieb sie auf dem Parkplatz des Fly By Night stehen und blickte zum Himmel hinauf. Der Schein der Großstadtlichter ließ die Sterne verblassen, doch sie konnte immer noch einige vertraute Konstellationen ausmachen. Kassiopeia, Andromeda, die Plejaden. Jedes Mal, wenn sie diese Sternbilder betrachtete, fiel ihr ein, was Jack zu ihr gesagt hatte, als sie in einer Sommernacht nebeneinander im Gras gelegen und zu den Sternen hochgeschaut hatten. In der Nacht, als ihr zum ersten Mal klar geworden war, dass sie in ihn verliebt war.
Der Himmel ist voller Frauen. Du gehörst auch dorthin.
    Leise sagte sie: »Und du auch, Jack.«
    Sie schloss den Wagen auf und setzte sich ans Steuer. Dann griff sie in ihre Tasche und zog den Ehering hervor. Im Halbdunkel des Wageninneren betrachtete sie ihn und dachte an die sieben Jahre Ehe, für die er stand. Die bald zu Ende sein würde.
    Sie steckte den Ring wieder in die Tasche. Ihre linke Hand fühlte sich nackt an, schutzlos.
Ich werde mich daran gewöhnen müssen,
dachte sie, als sie den Zündschlüssel umdrehte.

3
    10. Juli
    Dr. Jack McCallum hörte das Heulen der Sirene des ersten Krankenwagens und sagte: »Jetzt gilt’s, Leute!« Während er hinaus in die Zufahrt der Notaufnahme trat, spürte er, wie sein Puls in eine Tachykardie verfiel und ein Adrenalinstoß seine Nerven in knisternde Hochspannungsleitungen verwandelte. Er hatte keine Ahnung, was da auf das Miles Memorial Hospital zukam, außer dass mehr als ein Patient auf dem Weg zu ihnen war. Sie hatten in der Notaufnahme über Funk die Meldung erhalten, dass bei einer Massenkarambolage mit fünfzehn Fahrzeugen auf der Interstate 45 zwei Personen auf der Stelle getötet und etwa zwanzig weitere verletzt worden waren. Obwohl die kritischsten Fälle ins Bayshore oder ins Texas Med eingeliefert wurden, waren alle kleineren Krankenhäuser der Umgegend, darunter auch das Miles Memorial, darauf vorbereitet, die restlichen aufzunehmen.
    Jack ließ den Blick über die Zufahrtsrampe schweifen, um sich davon zu überzeugen, dass sein Team bereit war. Die andere Unfallärztin, Anna Slezak, stand direkt neben ihm, sie blickte wild entschlossen drein. Unterstützt wurden die beiden von vier Krankenschwestern, einem Laborassistenten und einem ängstlich wirkenden Assistenzarzt. Dieser hatte sein Medizinstudium erst vor einem Monat abgeschlossen; er war das unerfahrenste Mitglied des Notaufnahme-Teams und hatte ganz offensichtlich zwei linke Hände.
Der ist wie für die Psychiatrie geschaffen,
dachte Jack.
    Die Sirene heulte ein letztes Mal auf und verstummte abrupt, als der Krankenwagen in die Zufahrt einbog

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