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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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war toll.«
    »Scott«, sagte Baedecker, »macht es dir etwas aus, wenn ich dich nach deinen Plänen frage? Ich meine deine längerfristigen Pläne.«
    Sein Sohn strich mit den Fingern durch das kurze, nasse Haar. »Ich denke, ich werde eine Weile bei Mom bleiben. Das Semester abschließen.«
    »Du wirst es definitiv beenden?«
    »Mit fünf Wochen bis zur Abschlußprüfung? Auf jeden Fall.«
    »Und danach?« fragte Baedecker.
    »Nach der Abschlußprüfung? Nun, ich habe darüber nachgedacht, Dad. Ich habe letzte Woche einen Brief von Norm bekommen, und er sagte, ich kann wieder zu seinem Bautrupp kommen und bis Mitte August arbeiten. Damit könnte ich Geld für meine Doktorarbeit in Chicago verdienen.«
    »Willst du das?«
    »Wenn die Philosophievorlesungen so gut sind, wie Kent sagt, bin ich schwer versucht, es zu tun«, sagte Scott. »Und auch wenn es nur ein Teilzeitstipendium ist, ist es das beste Angebot, das ich vorliegen habe. Aber ich habe mir auch überlegt, ob ich ein paar Jahre zu den Streitkräften gehen soll.«
    Baedecker sah seinen Sohn fassungslos an. Er hätte nicht überraschter sein können, wenn sein Sohn ihm eröffnet hätte, er wolle nach Schweden fliegen und sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen.
    »War nur so ein Gedanke«, sagte Scott, aber seine Stimme verriet das Gegenteil.
    »Laß dich nicht darauf ein, bis ich ein paar Stunden oder Wochen Zeit hatte, es dir auszureden, okay?« sagte Baedecker.
    »Versprochen«, sagte Scott. »He, wir werden die Weihnachtsferien doch in der Blockhütte verbringen, oder?«
    »Ich habe es fest vor« sagte Baedecker. Sie fuhren auf dem 520 Causeway nach Osten und bogen dann nach Süden ab, an endlosen Reihen Motels am Cocoa Beach vorbei. Baedecker fragte sich, wie oft er diesen Weg wie ein Verrückter vom Luftwaffenstützpunkt Patrick entlanggerast war, um zum Cape zu gelangen. Er sagte:
    »Welche Gattung?«
    »Hmmm?« fragte Scott, der in dem neuerlichen Wolkenbruch nach der Einfahrt ihres Motels suchte. »Welche Waffengattung bei den Streitkräften?« Scott bog in die Einfahrt ab und parkte vor ihrem Bungalow. Regen trommelte auf das Dach. »Mein Gott, Dad«, sagte er. »Mußt du das wirklich fragen? Wo ich in einer Familie aufgewachsen bin, die stolz auf drei Generationen Baedeckers beim Marine-Korps zurückblickt?« Er machte die Tür auf, sprang hinaus und verweilte gerade lange genug im Regen, um zu sagen: »Ich habe an die Küstenwache gedacht«, dann lief er zum schützenden Balkon des Motels.
    Als Baedecker mit dem Taxi vom Logan International zu der Adresse bei der Universität von Boston fuhr, schneite es und wurde bereits dunkel. Er hatte noch einen Sonnenbrand von den drei Tagen in Florida, sah durch die Düsternis zum braunen, eisigen Wasser des Charles River und erschauerte. Am dunklen Ufer gingen Lichter an. Der Schnee verwandelte sich in grauen Matsch, der von den Reifen des Taxis aufspritzte.
    Baedecker hatte immer gedacht, daß Maggie in der Nähe des Campus leben würde, aber ihr Apartment lag ein Stück östlich, nicht allzuweit vom Fenway Park entfernt. Veranden und kahle Bäume säumten die stille Nebenstraße, das Viertel sah aus, als hätte es in den sechziger Jahren vor dem Verfall gestanden, wäre in den siebziger Jahren von jungen Bauunternehmern gerettet worden und stand nun vor einer Invasion durch wohlhabende Leute mittleren Alters mit Wunsch nach Häuslichkeit.
    Baedecker bezahlte den Fahrer und lief vom Taxi zur Tür des alten Sandsteinhauses. Er hatte versucht, von Florida und nochmal vom Logan anzurufen, aber vergebens. Er hatte sich vorgestellt, daß Maggie Lebensmittel einkaufen und zurücksein würde, bis er eintraf, aber jetzt sah er zu den dunklen Fenstern hinauf und fragte sich, wieso er gedacht hatte, sie würde am Freitagabend nach Thanksgiving zu Hause sein.
    Der Flur im ersten Stock war warm, aber nur spärlich beleuchtet. Baedecker verglich die Wohnungsnummer auf dem Umschlag, holte tief Luft und klopfte. Keine Antwort. Er klopfte noch einmal und wartete. Eine Minute später ging er zum Ende des Flurs und sah zu einem hohen Fenster hinaus. Durch die Öffnung einer Gasse konnte er erkennen, wie dichter Schnee vor einem Neonschild über einem dunklen Geschäft fiel.
    »He, Mister, hatten sie geklopft?« Eine junge Frau Anfang Zwanzig und ein junger Mann mit Hornbrille lehnten sich aus einem Apartment zwei Türen von dem von Maggie entfernt.
    »Ja«, sagte Baedecker. »Ich suche Maggie Brown.«
    »Die ist

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