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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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vorübergezogen waren, wenn die Straße noch leer vor unseren Augen lag und der Schatten der Insel weit indie Lagune hinausragte: seine überschäumend gute Laune genügte, um mich den ganzen Tag über vergnügt zu machen.
    Trotzalledem habe ich stets eine gewisse geheime Melancholie in Maka vermutet; diese jubelnde Heiterkeit ließ sich unmöglich dauernd aufrechterhalten. Außerdem war er lang, hager, runzelig, knorrig und leicht ergraut, und sein Sonntagsgesicht war förmlich saturnisch zu nennen. An jenem Tage marschierten wir in einer Prozession zur Kirche oder (wie ich sie stets nennen werde) zur Kathedrale: voran Maka (ein schwarzer Fleck in der glühenden Landschaft) in Zylinder, schwarzem Gehrock und langen schwarzen Hosen, Gesangbuch und Bibel unter dem Arm und ehrfürchtigen Ernst auf seinem Gesicht; neben ihm Maria, seine Gattin, eine ruhige, kluge und stattliche, ältere Frau in gesetzter, dunkler Kleidung; ich selber hinterdrein, voll seltsamer und rührender Gedanken. Vor langer, langer Zeit war ich beim Klang der Glocken, beim Rauschen der Bäche und bei dem Gezwitscher der Vögel so durch ein schottisches Hochlandstal gezogen, so hatte ich Sonntag für Sonntag den Pfarrer begleitet, in dessen Haus ich damals wohnte, und die Ähnlichkeit wie die Verschiedenheit, die vielen Jahre, die vielen Tode, die dazwischen lagen, rührten mich bis in alle Tiefen. Die Gemeinde in der großen, dämmrigen Palmbaum-Kathedrale zählte knapp dreißig Menschen, die Männer alle auf der einen, die Frauen auf der anderen Seite, ich selbst (eine große Vergünstigung) unter den Frauen, und die wenigen Mitglieder der Mission eng zusammengedrängt aus der erhöhtenPlattform, ein verlorenes Häuflein in jenem großen, runden Gewölbe. Der Bibeltext des betreffenden Tages wurde antiphonisch vorgelesen, die Gemeinde katechisiert, ein blinder Jüngling wiederholte allwöchentlich eine lange Reihe Psalmen, Kirchenlieder wurden gesungen – in meinem Leben habe ich nie wieder so schlecht singen hören – und die Predigt begann. Zu sagen, daß ich nichts davon verstand, wäre eine Unwahrheit gewesen; es gab gewisse Stellen, die ich jedesmal mit Sicherheit erwartete: das Wort Honolulu, den Namen Kalakaua, den Ausdruck »Käpt'n-Kriegsschiff«, die Bezeichnung Schiff, und dann folgte unfehlbar die Beschreibung eines Unwetters auf See; nicht selten wurde ich auch durch den Namen meiner eigenen Monarchin belohnt. Der Rest war nichts als Geräusch in meinen Ohren, ein Schweigen der Gedanken: eine unendliche Öde und Langeweile, die durch die Hitze, einen harten Stuhl und den Anblick der glücklicheren Heiden draußen auf dem Anger noch unerträglicher gemacht wurde. Der Schlaf senkte sich auf meine Glieder und auf meine Augen, er summte mir in den Ohren, er herrschte unumschränkt in der dämmrigen Kathedrale. Die Gemeinde rührte und rekelte sich; sie seufzte, sie stöhnte laut, sie stieß bei jeder Note im Gesang ein Gähnen aus, wie man mitunter einen Hund gähnen hört, wenn er den tiefsten, bittersten Grad der Langeweile erreicht hat. Vergeblich donnerte der Pastor auf den Tisch; vergeblich redete er einzelne Mitglieder direkt mit Namen an. Ich selbst war vielleicht ein wirksameres Stimulans; zum mindesten ein alter Herr schien aus meinen erfolgreichenKämpfen gegen den Schlummer – ich hoffe wenigstens, daß sie erfolgreich waren – Trost und Unterhaltung zu schöpfen. Er weidete sich nämlich starren, herausfordernden Blicks – wenn er nicht gerade Fliegen fing oder seinen Nachbarn einen Streich spielte – an den verschiedenen Stadien meiner Qual; und einmal, als der Gottesdienst seinem Ende zuging, zwinkerte er mir sogar frech vom anderen Ende der Kirche aus zu.
    Ich muß, während ich diesen Gottesdienst schildere, lächeln; und doch fehlte ich niemals dabei – aus Respekt für Maka, voller Bewunderung für seinen heiligen Ernst, seine brennende Energie, das Feuer seiner begeisterten Augen, die Aufrichtigkeit und die vielen Modulationen seiner Stimme. Ihn so mit seinen schwachen Kräften unermüdlich ein totes Pferd antreiben und ein kaltes Feuer anfachen sehen, bedeutete eine gute Lehre in Willensstärke und Beharrlichkeit. Es ist die Frage, ob die Ergebnisse bei einer besseren Unterstützung der Mission und einer Entlastung Makas von anderen Geschäften nicht hätten besser sein können. Ich persönlich glaube es nicht. Ich glaube, nicht Vernachlässigung, sondern allzu große Strenge hat seine Gemeinde so geschmälert,

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