Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
Rüstung angelegt wurde; zwei Männer und ein kräftiges Frauenzimmer waren kaum stark genug, um ihm die Stiefel anzuziehen, und überhaupt ist die Armee nach jeder Parade mindestens auf eine Woche gelähmt.
    Endlich öffneten sich die Pforten des königlichen Hauses, die Armee defilierte samt Gewehren und Epauletten im Gänsemarsch vorbei; die Königsflagge senkte sich unter dem Toreingang; seine Majestät folgte in einer goldstrotzenden Uniform; ihm nach die Gemahlin seiner Majestät in Federhut und wallender Seidenschleppe, zuletzt die königlichen Rangen; da stand die ganze Galagesellschaft Makins auf der von ihr selbst erwählten Bühne. Dickens allein hätte ihren feierlichen Ernst, ihre Betrunkenheit beschreiben können, den König, wie er unter seinem Dreispitz zerfloß und überquoll, wie er sich neben die größere der beiden Kanonen postierte – streng, majestätisch aber nicht gerade sehr aufrecht; wie die Truppen sich gegeneinander lehnten, angeschnauzt wurden und aufs neue zusammenfielen; wie sie und ihre Musketen in den verschiedensten Graden gleich den Masten einzelner Schiffe durcheinander schwankten, wie unser Amateurphotograph sie revidierte, ordnete und grade stellte, nur um seine Anweisungen in dem Moment, da er zu seiner Kamera zurückkehrte, wieder über den Haufen geworfen zu sehen.
    Die ganze Sache war maßlos komisch, obwohl ichnicht weiß, ob es sich schickte, darüber zu lachen. Jedenfalls wurde unser Bericht über dieses Durcheinander bei unserer Rückkehr mit bedenklichem Kopfschütteln aufgenommen.
    Der Tag hatte schlecht angefangen; elf Stunden trennten uns noch von Sonnenuntergang, und jeden Augenblick konnte, durch irgendeine geringfügige Tatsache hervorgerufen, das Unheil losbrechen. Das Wightmannsche Grundstück war militärisch unhaltbar, da es von drei Seiten durch Häuser und den dichten Busch beherrscht wurde; schätzungsweise sollte die Stadt über tausend Stück vorzüglicher Feuerwaffen enthalten, und für den Fall eines Angriffs war ein Rückzug auf die Schiffe undenkbar. Unser Gespräch an jenem Morgen muß ein getreues Abbild der Gespräche in den englischen Garnisonen vor der großen Sepoy-Meuterei gewesen sein: der nämliche resolute Zweifel, ob Unheil im Schwange wäre, die gleiche unerschütterliche Überzeugung, daß in dem Falle nichts zu machen sei, als kämpfend unterzugehen, dieselbe halb amüsierte, halb sorgenvolle Gespanntheit, mit der man neuen Entwickelungen entgegensah.
    Der Kümmel war bald alle geworden; kaum waren wir zurückgekehrt, als der König uns schon nachkam auf der Suche nach neuem Schnaps. Herr Leiche hatte seine imposante Haltung jetzt abgelegt, sein rebellischer Riesenkörper stak wieder in den gestreiften Pyjamas; eine Leibwache, die ihre Musketen nach sich schleppte, bildete die Nachhut. Außerdem ward Se. Majestät begleitet von einem Walfischjäger aus Rarotongan sowie von dem launigen Höfling mit dem krausenHaarturban. Niemals hat es eine lebhaftere Verhandlung gegeben. Der Walfischmann war idiotisch, tränenvoll betrunken; der Höfling ging wie auf Luft, der König geruhte sogar zu scherzen. Hingegossen in einem Stuhl in Ricks Wohnzimmer ließ er den Strom unserer Bitten und Drohungen über sich ergehen. Wir schalten ihn aus, hielten ihm Beispiele aus der Vergangenheit vor, befahlen ihm, das Tapu auf der Stelle von neuem zu verhängen – nichts rührte ihn auch nur im geringsten. Morgen, erklärte er, würde es geschehen; heute stände es außerhalb seiner Macht, heute wage er es nicht. »Ist das königlich?« fragte der empörte Mr. Ricks. Nein, es war nicht königlich; wäre des Königs Charakter anders gewesen, wir hätten uns einer anderen Redeweise befleißigt; doch königlich oder nicht königlich, er blieb in diesem Streite Sieger. Tatsächlich waren die Kräfte auf beiden Seiten auch zu ungleich, denn der König war der einzige, der das Tapu wieder herstellen konnte, die Ricks aber nicht die einzigen, die Schnaps verkauften. Er brauchte bloß bei dem ersten Teil feiner Erklärung zu verharren, und die anderen mußten notgedrungen in dem übrigen nachgeben. Dem Schein zuliebe hielten sie den Widerstand noch eine kleine Weile aufrecht, dann aber machte sich die ungemein betrunkene Abordnung mit einem Brandyfaß, das auf einer Schiebkarre neben ihr her gefahren wurde, triumphierend auf den Rückweg. Der Rarotongan-Mann (den ich in meinem Leben nie zuvor gesehen hatte) schüttelte mir die Hand, wie jemand, der auf eine weite

Weitere Kostenlose Bücher