Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
heißen?« fragte ich. »Will die ganze Insel auf den Rummel gehen?«
    Das war in der Tat der Fall. Am vierten Juli war ein Fest veranstaltet worden, und der König hatte auf Vorschlag der Weißen das Tapu gegen den Alkohol aufgehoben. Es gibt ein Sprichwort von Pferden; jeder kann ein Pferd zum trinken bringen, keine zwanzig es davon abhalten. Das gleiche gilt auch für die höhere Bestie Mensch. Das vor zehn Tagen aufgehobene Tapu war bisher nicht wieder verhängt worden. Seit zehn Tagen hatte die Stadt die Flasche kreisen lassen, oder (wie am Nachmittage des Tages vorher) ihren viehischen Rausch ausgeschlafen. Und der König, von den Alten wie von seinem Durst getrieben, hielt auch weiterhin die Erlaubnis aufrecht, fuhr fort, seine Ersparnisse an Alkohol zu verschwenden und bei der ganzen Orgie die leitende Rolle zu spielen. Die Weißen waren die Urheber dieser Krisis. Auf ihren Vorschlag hin hatte man den Alkohol freigegeben, und anfänglich waren sie es im Interesse des Handels auch wohl zufrieden. Die Freude hatte jedoch nachgelassen; das Trinken war etwas zu lange fortgesetzt worden, das mußte jeder zugeben; jetzt begann die Frageakut zu werden, wie man ihm ein Ende machen konnte. Daher Toms Weigerung. Doch die Weigerung galt eingestandenermaßen nur für den Augenblick und war ebenso offensichtlich fruchtlos, denn des Königs Fourageure würden nach Toms Abweisung im Sanssouci in »The Land we Live in« von dem habgierigen Mr. Williams versorgt werden.
    Der Ernst der Gefahr war damals schwer abzuwägen, und nachträglich neige ich eher zu der Ansicht, daß man ihn leicht übertrieb. Allein das Benehmen von Trunkenbolden gibt uns auch daheim in jedem Falle einigen Anlaß zur Besorgnis; dabei ist unsere Bevölkerung daheim nicht vom ersten bis zum letzten Mann mit Revolvern und Repetiergewehren bewaffnet, und wir betrinken uns auch nicht gleich stadtweise – ich kann ruhig sagen länderweise – König, Magistrat, Polizei und Armee. Man darf auch nicht vergessen, daß wir uns hier auf einer barbarischen, kaum besuchten, erst kürzlich und nur mangelhaft zivilisierten Insel befanden. Last not least – es ist schon eine ganze Reihe von Weißen hauptsächlich infolge ihres eigenen schlechten Benehmens auf den Gilbertinseln ums Leben gekommen; einmal zum mindesten hatten die Eingeborenen bereits eine starke Neigung bewiesen, einen zufälligen Unglücksfall durch eine Metzelei, die nichts als Knochen übriggelassen hätte, zu vertuschen. Dieses letzte Bedenken vor allem hielt uns davon ab, die Bars von heute auf morgen zu schließen; die Barkeeper wären die ersten gewesen, die daran hätten glauben müssen. Sie hatten es direkt mit Tollhäuslern zu tun; eine allzu schroffe Weigerung hättejeden Augenblick einen Wutausbruch zeitigen können, und der erste Schlag wäre vielleicht das Zeichen zu einem Blutbad geworden.
    Montag, den 15. – Zur gleichen Stunde kehrten wir in die gleiche Maniap' zurück. Ausgerechnet Kümmel wurde dort in Wassergläsern gereicht. In der Mitte saß der Kronprinz, ein feister Jüngling, von Flaschen umgeben und heftig mit dem Korkenzieher beschäftigt. König, Häuptlinge und Gemeine, alle zeigten das lockere Lächeln und die unsicheren Glieder, den verschwommenen und zugleich unsteten Blick von Betrunkenen in den Anfangsstadien des Rausches. Es war klar, daß man uns mit Ungeduld erwartet hatte; der König zog sich eiligst zurück, um Toilette zu machen, die Wache wurde nach ihren Uniformen geschickt, und wir blieben in einem Schuppen voll angeheiterter Eingeborenen allein, um das Resultat dieser Vorbereitungen abzuwarten. Die Orgie war weiter fortgeschritten als am Sonntag. Der Tag versprach sehr heiß zu werden; es war bereits ungewöhnlich schwül, und die Höflinge hatten alle mehr als ihnen bekömmlich war genossen, aber noch immer machte die Kümmelflasche die Runde, wobei der Kronprinz den Kellermeister spielte. Vlämische Freiheit der Sitten folgte auf diese vlämischen Exzesse. Der Komiker der Gesellschaft, ein bildhübscher junger Bursche in greller Kleidung und mit einem dicken Turban krauser Haare, entzückte die Versammlung durch eine humoristische Werbung um eine Dame, die er in einer nicht zu schildernden Weise betrieb. Wir unterhielten uns inzwischen damit, das Aufmarschieren der Wachezu beobachten. Diese trug europäische Waffen, europäische Uniformen und (zu ihrem Leidwesen) auch europäisches Schuhzeug. Wir sahen zu, wie einem dieser Krieger (gleich Mars) die

Weitere Kostenlose Bücher