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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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jene Strenge, die einstmals eine Revolution erzeugte und die der Außenstehende heute an einem sonst so lebensfreudigen, liebenswürdigen Mann mit Staunen wahrnimmt. Kein Lied, kein Tanz, kein Tabak, kein Alkohol, nichts, was das Leben leichter macht – nur Arbeit und Gottesdienst – das ist der Ausdruck, der auf seinem Gesicht zu lesen ist; das Gesicht ist das Antlitz des polynesischen Esau,doch die Stimme ist die Jakobs und stammt aus einer anderen Welt. Auch im besten Falle ist ein Missionar aus Polynesien auf den Gilbertinseln ein fremder Gast, kommt er doch aus einem Lande, wo wüste Unkeuschheit herrscht, in ein Land der strengsten Moral, aus einer Gegend, die unter dem Alpdruck ihrer Schreckgespenster seufzt, in einen Bezirk, der den Schrecken der Finsternis mit relativem Mut ins Gesicht sieht. Jener Gedanke kam mir eines Morgens mit unauslöschlicher Klarheit, als ich zufällig bei hellem Mondschein die ganze Stadt in Dunkelheit getaucht vor mir liegen sah und beobachtete, wie treulich noch die Lampe neben des Missionars Bette brannte. Maka und seinen Landsleuten gegenüber bedarf es weder des Gesetzes noch des Feuers noch wachsamer Polizisten, um sie davon abzuhalten, ohne Licht im Dunkeln zu wandeln.
Viertes Kapitel. Die Geschichte eines Tapus
    Am Morgen nach unserer Ankunft (Sonntag, den 14. Juli 1889) waren unsere Photographen früh auf den Beinen. Wieder einmal durchschritten wir die schweigende Stadt; viele lagen noch schlafend in ihren Betten, einige saßen schläfrig in ihren offenen Häusern; von Verkehr oder Geschäften nirgends auch nur ein Laut. In jener Stunde vor der Morgendämmerung erschienen das Palastviertel und der Kanal wie ein Landungsplatz aus Tausendundeiner Nacht oder aus den klassischen Poeten, dies war in der Tat das passende Ziel für ein Feenschiff, hier konnte irgendein Abenteuer suchender Prinz zwischen neuen Gestalten und Ereignissen an Land gehen, und das Inselgefängnis, das auf dem leuchtenden Spiegel der Lagune gleichsam zu schweben schien, hätte die Gralsburg selber sein können. In einer solchen Umgebung und zu solcher Stunde war der Eindruck, den wir empfingen, weniger der eines fremden Landes als der eines Zurückversetztseins in die Vergangenheit; wir hatten nicht das Gefühl, als wären wir durch viele, viele Breitengrade gewandert, nein, als hätten wir zahlreiche Jahrhunderte überschritten und gleichzeitig Heimat und Gegenwart weit hinter uns gelassen. Ein paar Kinder, meist nackt und alle schweigend, hefteten sich an unsere Fersen; in dem klaren, tangreichen Wasser des Kanals wateten einige stummeJungfräulein mit bis zur Wade entblößten braunen Beinen, und aus einer der Maniapen vor den Toren des Palastes lockte uns eine leise aber lebhafte Unterhaltung.
    Der ovale Schuppen war voller Männer, die mit gekreuzten Beinen dasaßen. Der König in seinen gestreiften Pyjamas war anwesend, den Rücken gedeckt von vier Wächtern mit Winchestergewehren; seine Miene zeigte ungewöhnliche Energie und Entschlossenheit. Gläser und schwarze Flaschen machten die Runde, und das Gespräch war, wenn auch lärmend, so doch allgemein und animiert. Auf den ersten Blick war ich geneigt, die ganze Szene mit einigem Argwohn zu betrachten. Aber die Stunde schien für ein Gelage allzu ungeeignet; alkoholische Getränke waren außerdem ebensosehr durch das Landesgesetz wie durch die Bestimmungen der Kirche verboten, und während ich noch zögerte, zerstreute die strenge Haltung des Königs entgültig meine Zweifel. Wir waren gekommen, um ihn inmitten seiner Wachen zu photographieren, und schon bei der ersten Andeutung empörte sich seine Frömmigkeit. Man erinnerte uns daran, daß es Sonntag wäre – Sonntag, an dem du keine Aufnahmen machen sollst – und wir machten also mit einem Floh im Ohr und der verschmähten Kamera kehrt.
    In der Kirche war ich nachträglich erstaunt, den Thron leer zu finden. Ein so rigoroser Sabbatheiliger hätte sehr gut die Mittel finden können, anwesend zu sein; vielleicht wurden auch meine Zweifel wieder lebendig, und noch ehe ich unser Haus erreicht hatte, warensie zur Gewißheit geworden. Tom, der Barkeeper des Sanssouci, befand sich im Gespräch mit zwei Abgesandten des Hofes. Der »Keen«, erklärten sie, verlange »Din«, und wenn das nicht vorhanden wäre, »Perandi.« Nix da Din, war Toms Antwort, und auch kein Perandi; aber Pira, wenn sie das wollten. Nein, Pira wollten sie anscheinend nicht und zogen kummervoll wieder ab.
    »Was soll das

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