In der Südsee. Zweiter Band
erwähnten elf Handelsleute kam je in die Stadt, kein Kapitän ging in der Lagune je vor Anker, ohne daß wir ihn nicht innerhalb der nächsten Stunde bei uns sahen. Das hatten wir unserer Lage zwischen Laden und Bar zu verdanken – Sanssouci war letztere genannt. Mr. Rick war nicht nur der Geschäftsführer von Wightman Brothers, sondern auch der Konsularagent der Vereinigten Staaten; Mrs. Rick war die einzige Weiße auf der ganzen Insel, ja, außer ihr befand sich nur noch eine weiße Frau im ganzen Archipel; ihr Haus mit seinen kühlen Veranden, Bücherregalen und bequemen Möbeln hatte seinesgleichen nicht zwischen Jaluit und Honolulu. Folglich sprach ein jeder vor, der mit ihnen nicht gerade in irgendeinen Südseestreit über einen Cent mehr oder weniger pro Pfund Kopra oder über ein paar Hühner verwickelt war. Selbst diese Leute aber pflegten, wenn sie nicht von Norden her erschienen, gar bald im Süden aufzutauchen, wo das »Sanssouci« sie wie mit Stricken an sich zog. Auf einer Insel mit einer Bevölkerung von insgesamtzwölf Weißen dürften zwei Schenkstuben eigentlich als überflüssig erscheinen: aber jedes Töpfchen hat sein Deckelchen, und die doppelten Annehmlichkeiten von Butaritari erfreuten sich bei Kapitän und Mannschaft der Schiffe, die dort anlegten, einer großen Popularität. Man war stillschweigend übereingekommen, »The Land we Live in« dem Vorderschiff zu überlassen und das Sanssouci für das Achterdeck zu reservieren. So aristokratisch waren meine Neigungen und so groß meine Furcht vor Mr. Williams, daß ich das erstgenannte Lokal niemals betreten habe; dagegen verbrachte ich in dem anderen, das den Klub oder das Kasino der Insel darstellte, alle meine Abende. Der Raum selbst war klein, aber adrett möbliert; nachts, wenn die Lampe angezündet war, funkelte das Glas und leuchteten die bunten Bilder an den Wänden wie ein geschmücktes Theater zur Weihnachtszeit. Die Bilder waren Plakate, die Gläser grob genug, die ganze Tischlerarbeit dilettantisch, die Wirkung jedoch, die das Ganze hier auf dieser wüsten Insel erweckte, war die eines unermeßlichen Luxus und unbeschreiblicher Wohlhabenheit. Hier wurden Lieder gesungen, Geschichten erzählt, Taschenspielerkunststücke zum besten gegeben und Spiele gespielt. Die beiden Ricks, wir selbst, Tom, der norwegische Barkeeper, ein oder zwei Schiffskapitäne und vielleicht drei oder vier Händler, die in ihren Booten oder zu Fuß herübergekommen waren, machten für gewöhnlich die Gesellschaft aus. Die Händler, von Haus aus alle für den Seemannsberuf bestimmt, sind komisch, stolz auf ihr neues Geschäft. »Wir Südseekaufleute« ist derTitel, den sie sich am liebsten geben. »Wir sind hier alle Seeleute« – »Kaufleute, bitte« – »Südseekaufleute« – so begann immer wieder die Konversation, die für sie niemals an Reiz zu verlieren schien. Wir empfanden sie samt und sonders als schlichte, freundliche, lustige, tapfere und gefällige Menschen und erinnern uns trotz der langen Zeit, die inzwischen verstrichen ist, mit Vorliebe an die Kaufleute von Butaritari. Zwar gab es auch hier ein schwarzes Schaf. Ich will von ihm an dieser Stelle erzählen, obwohl das eigentlich gegen meine Regel ist; aber in diesem Falle fühle ich mich nicht verpflichtet, irgendwelche Diskretion zu bewahren, denn der Mann stellt den Typ einer bestimmten Klasse von Schurken dar, die früher einmal die ganze Südsee in Verruf brachten und sich heute nur ganz vereinzelt auf den entlegenen Inseln Mikronesiens aufhalten. Am Strande von Butaritari genoß er die Bezeichnung eines »vollkommenen Gentleman, wenn nüchtern«, aber ich habe ihn niemals anders als betrunken gesehen. Die wenigen abstoßenden und barbarischen Eigenschaften des Mikronesiers hatte er mit der Geschicklichkeit eines Sammlers herausgefischt und auf den Grund und Boden seiner eigenen Gemeinheit verpflanzt. Man hat ihn bereits des Meuchelmords bezichtigt und freigesprochen; seither hat er jedoch mit der Tat geprunkt, was mich allerdings glauben macht, daß er tatsächlich unschuldig war. Seine Tochter ist durch seine versehentliche Grausamkeit entstellt, denn er hatte seine Frau verstümmeln wollen, und in der Dunkelheit sowie in dem tollen Rausche des genossenen Kokosschnapses war er an das falscheOpfer geraten. Seitdem ist seine Frau in den Busch entwichen und zu den Eingeborenen geflohen, und die Forderungen des Gatten nach ihrer gewaltsamen Zurückführung stoßen auf taube Ohren. Sein
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