In der Südsee. Zweiter Band
Geschäft besteht in der Hauptsache darin, die Eingeborenen zum Trinken anzureizen und ihnen dann das Strafgeld hierfür als lukrative Hypothek vorzuschießen. »Respekt vor den Weißen« ist das dritte Wort dieses Mannes: »Was dieser Insel fehlt, ist der Respekt vor den Weißen«. Während meines dortigen Aufenthalts traf er eines Tages auf dem Wege nach Butaritari mit seiner Frau zusammen, die im Busch mit einigen Eingeborenen verborgen lag, und wollte sich auf sie stürzen, als ihre Begleiter ihre Messer zogen, worauf der Gatte erwiderte: »Ist das der schuldige Respekt vor den Weißen?« In einem frühen Stadium unserer Bekanntschaft bezeugten wir ihm unseren Respekt vor dieser Art von Weißen damit, daß wir ihm das Betreten unseres Grundstücks bei Gefahr seines Lebens verboten. Von da ab lungerte er oft in der Nachbarschaft herum; sein bleiches, bildhübsches Gesicht (das ich jedoch nur mit Widerwillen anzuschauen vermochte) spähte zu allen möglichen Tageszeiten über unseren Zaun, und einmal rächte er sich aus sicherer Entfernung dadurch, daß er uns ein landläufiges mikronesisches Schimpfwort an den Kopf warf, das unseren Ohren gänzlich harmlos, in seinem englischen Munde jedoch unglaublich deplaziert klang.
Unser Grundstück, um das dieses Muster an vielseitiger Verkommenheit herumschlich, war ziemlich ausgedehnt. In der einen Ecke stand eine Laube mit einemrohen Brettertisch. Hier war vor kurzem erst der vierte Juli mit denkwürdigen, an anderer Stelle noch zu schildernden Folgen festlich begangen worden. Hier nahmen wir unsere Mahlzeiten ein, hier bewirteten wir auch den König und die Notabeln von Makin. In der Mitte der Einfriedung lag das Haus mit seinen nach beiden Seiten gehenden Veranden und mit drei Räumen im Innern. Auf der Veranda spannten wir unsere Schiffshängematten auf, dort arbeiteten wir am Tage, dort schliefen wir des Nachts. Drinnen befanden sich Betten, Stühle, ein runder Tisch, eine elegante Hängelampe und die Porträts der königlichen Familie von Hawaii. Die Königin Viktoria besagt gar nichts; Kalakaua und Mrs. Bishop lassen immerhin allerhand Vermutungen aufkommen: die Wahrheit ist, wir waren unrechtmäßige Bewohner des Pfarrhauses. Am Tage unserer Ankunft war Maka nicht zugegen; ein treuloser Hausverwalter schloß uns Tür und Tore auf; und der liebe, gute, strenggläubige Mann, der geschworene Feind von Alkohol und Tabak, kehrte zurück, um seine Veranda mit Zigaretten übersät und sein Wohnzimmer von Flaschen verunziert zu finden. Er stellte nur eine einzige Bedingung – den runden Tisch, den er bei der Zelebrierung des Abendmahls zu benutzen pflegte, bat er, von Alkohol zu verschonen; im übrigen beugte er sich in allem vor der vollendeten Tatsache, weigerte sich, einen Mietzins zu nehmen, zog sich in ein gegenüberliegendes Eingeborenenhaus zurück und suchte, eigenhändig rudernd, die obskursten Winkel der Insel nach Nahrungsmitteln für uns ab. Er machte Schweine für uns ausfindig – nirgends sonsthaben wir jemals ein Schwein hier zu Gesicht bekommen – und schleppte Geflügel und Taro für uns heran; als wir unser Fest für König und Adel veranstalteten, verschaffte er uns den Proviant und überwachte in eigener Person das Kochen; er war es auch, der das Tischgebet sprach, der des Königs Gesundheit ausbrachte und der den Toast in ein echt englisches Hip-Hip-Hurra ausklingen ließ. In seinem ganzen Leben hat er niemals eine glücklichere Idee gehabt: das Fettherz des dicken Königs hüpfte ihm bei diesem Laut vor Wonne im Busen.
Alles in allem bin ich niemals einem liebenswerteren Geschöpf begegnet als diesem Pastor von Butaritari: seine Freude und Güte, seine vornehme, menschenfreundliche Natur quollen bei jedem Wort, bei jeder Geste hervor. Er liebte es, zu übertreiben, im Moment irgendeine Rolle zu Tode zu hetzen, seine Lungen und Muskeln zu üben, mit seinem ganzen Körper zu reden und zu lachen. Er besaß die morgendliche Heiterkeit von Vögeln oder von sehr gesunden Kindern, und sein Humor wirkte ansteckend. Wir waren die allernächsten Nachbarn und kamen tagtäglich zusammen, trotzdem dauerten unsere Begrüßungen immer minutenlang – wir schüttelten uns die Hände, klopften uns auf die Schulter, sprangen dabei wie zwei Hanswurste herum und lachten uns tot über irgendeinen Scherz, der selbst in einem Kindergarten kaum schwache Heiterkeit erregt haben würde. Und ob es auch fünf Uhr früh war, wenn die Palmweinzapfer eben an uns
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