Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
prozentualen Anteil arbeiten, einen Medizinmann, der im Privatleben Zauberer war. Er fand mich eines Tages am Rande des Dorfes an einem einsamen Ort, sonnig und abgeschlossen, wo die Tarofurchen tief und die Pflanzen hoch sind. Hier faßte er mich am Rockknopf, blickte sich wie ein Verschwörer um und fragte, ob ich Gin habe.
    Ich sagte ihm, daß ich wohl Gin hätte. Er bemerkte, Gin sei verboten, lobte die Prohibition eine Weile und fuhr dann fort zu erklären, daß er ein Doktor sei oder » dogstar «, wie er das Wort aussprach, daß er Gin brauche für seine medizinischen Aufgüsse, daß er nichts mehr besitze und mir sehr dankbar wäre für eine Kleinigkeit in einer Flasche. Ich erzählte ihm, ich hätte dem König bei der Landung mein Wort verpfändet, aber da sein Fall so außergewöhnlich sei, wolle ich sofort zum Palast gehen und bezweifle nicht, daß Tembinok' mich für diesen Fall entbinden würde. Tom Whitewurde sofort von Angst und Schrecken erfaßt, flehte mich in den beweglichsten Ausdrücken an, ihn nicht zu verraten, und floh meine Nachbarschaft. Er besaß nichts von der Kühnheit des Kochs, Wochen vergingen, ehe er mir wieder unter die Augen zu kommen wagte, und dann nur auf Befehl des Königs und wegen einer besonderen Angelegenheit.
    Je mehr ich den Triumph dieser starken Regierung durchschaute und bewunderte, desto mehr beschäftigte mich ein Problem auf das ernsthafteste, das vielleicht schon morgen für uns von Bedeutung sein konnte. Hier lebte ein Volk, geschützt vor allen ernsthaften Schicksalsschlägen, befreit von jeder ernsthaften Sorge und dessen beraubt, was wir unsere Freiheit nennen. Liebten sie diesen Zustand? Und wie waren ihre Gefühle gegenüber dem Herrscher? Die erste Frage konnte ich natürlich nicht stellen, auch konnten die Eingeborenen sie kaum beantworten. Selbst die zweite Frage war heikel, aber schließlich fand ich unter reizvollen und sonderbaren Bedingungen Gelegenheit, sie anzubringen, und einen Mann, der sie beantwortete. Es war nahezu Vollmond, und eine herrliche Brise wehte, die Insel war taghell, es wäre Gotteslästerung gewesen zu schlafen, und ich wanderte im Busch und spielte auf meiner Flöte. Es muß wohl der Ton meiner Musik gewesen sein – oder was ich selbstgefällig so nenne –, der einen anderen Wanderer in meine Richtung lockte. Es war ein junger Mann, mit seiner Matte bekleidet und mit einem Blumenkranz im Haar, denn er war soeben vom Tanzen und Singen in der Volkshalle gekommen. Sein Körper, sein Gesicht und seine Augen waren von entzückender Schönheit. Überall sieht man auf den Gilbertinselnjunge Leute von dieser unglaublichen Vollkommenheit, ich beobachtete fünf Leute unserer Reisegesellschaft, die eine halbe Stunde in Bewunderung vor einem Knaben auf Mariki standen, und Te Kop, meinen Freund mit der feinen Matte und dem Blumenkranz, hatte ich schon verschiedentlich bemerkt und längst als das schönste Lebewesen von Apemama bezeichnet. Die Wirkung solcher Bewunderung muß sehr stark gewesen sein, oder die Eingeborenen sind besonders empfänglich dafür, denn ich habe selten auf diesen Inseln jemand bewundert, ohne daß er meine Bekanntschaft gesucht hätte. So war es auch mit Te Kop. Er führte mich zum Meeresstrand, und eine oder zwei Stunden lang saßen wir rauchend und plaudernd auf dem glänzenden Sand im unaussprechlichen Leuchten des Mondes. Mein Freund zeigte sich sehr empfänglich für die Schönheit und Anmut der Stunde. »Gute Nacht! Guter Wind!« rief er unausgesetzt aus, und indem er die Worte sprach, schien er mich zu umarmen. Vor langer Zeit habe ich solche immer wiederkehrenden Ausrufe des Entzückens für einen Typ, nämlich Felipe in meiner Geschichte »Olalla«, erfunden und wollte, daß er dadurch einigermaßen blöde wirkte. Aber in Te Kop war nichts Niedriges, sondern er empfand nur ein kindisches Vergnügen am Augenblick. Auch von seinem Begleiter war er nicht weniger entzückt oder freundlich genug, es zu sagen, und er ehrte mich, bevor er mich verließ, indem er mich Te Kop nannte. Er nannte mich »mein Name!«. Mit einer unaussprechlichen Betonung, indem er seine Hand gleichzeitig leicht auf meine Knie legte; und als wir aufgestanden waren und unsere Wege sich im Busch trennten, rief er mirzweimal in einer Art milder Verzückung nach: »Ich Euch lieben zuviel!« Von Anfang an hatte er kein Geheimnis aus seiner Furcht vor dem König gemacht, er wagte es nicht, sich niederzusetzen oder mehr als flüsternd zu sprechen,

Weitere Kostenlose Bücher