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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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zusammengebunden hat. Arbeitet er mit der rechten Hand, so muß die linke inzwischen untätig das Gewand festhalten. Oft sieht man zwei Männer, die einen einzigen Eimer Wasser zwischen sich an einem Stab tragen. Nun kann man eine Kirsche wohl in zwei Bissen verzehren, aber daß man zwei Träger braucht, um die Ausrüstung eines Soldaten eine halbe Meile weit zu tragen, ist denn doch ein wenig übertrieben. Frauenwerden durch sklavenhafte Lebensbedingungen weniger entnervt, da sie weniger kindische Tiere sind. Selbst in der Abwesenheit des Königs und selbst, wenn sie ganz allein waren, habe ich Frauen von Apemama beharrlich weiterarbeiten sehen, aber von einem Manne darf man nur erwarten, daß er seine Aufgabe in kleinen, weit auseinandergezogenen Ansätzen erledigt und zwischendurch faulenzt. So sah ich einen Maler mit brennender Pfeife und einen Freund beim Atelierfeuer arbeiten. Man könnte vermuten, daß diesem Volk Männlichkeit und Lebenskraft fehle, wenn man sie nicht tanzen gesehen hätte. Nacht für Nacht und manchmal Tag für Tag ertönte der Chorgesang in dem großen Sprechhaus, feierliche Andantes und Adagios, von Händeklatschen begleitet und mit einer Energie vorgetragen, die das Dach erzittern ließ. Das Tempo war nicht gerade langsam, doch für diese Inselwelt schleppend, und so habe ich es vorgezogen, die Wirkung auf den Hörer darzustellen. Ihre Musik hatte einen gottesdienstähnlichen Charakter, wenn man sie nahebei hörte, und erschien europäischen Ohren regelmäßiger als die sonstige Insulanermusik. Zweimal hörte ich, wie eine Disharmonie regelrecht aufgelöst wurde. Von fernher, zum Beispiel von Equatorstadt gehört, steigen und jagen sich die Rhythmen wie das Bellen von Hunden in einem fernen Zwinger.
    Die Sklaven werden sicher nicht überanstrengt, Kinder von zehn Jahren leisten bei uns ohne Ermüdung mehr, und die Arbeiter von Apemama haben Feiertag, wenn am frühen Nachmittag das Singen beginnt; die Ernährung ist schlecht, Kopra und eine Süßspeise aus zerstampftem Pandanus sind die einzigen Gerichte,die ich außerhalb des Palastes sah, aber die Quantität scheint ausreichend zu sein, und der König teilt seine Schildkröten mit ihnen. Drei kamen in einem Boot von Kuria während unseres Aufenthaltes an, eine wurde für den Palast behalten, eine zu uns geschickt und die dritte dem Dorf geschenkt. Es ist Sitte bei den Insulanern, die Schildkröten in ihrem Panzer zu kochen, und da uns die Schalen versprochen worden waren, baten wir darum, diesen törichten Brauch mit dem Tabu zu belegen. Das Gesicht Tembinok's verfinsterte sich, und er antwortete nichts. Zögern bei der Anfrage wegen des Brunnens konnte ich verstehen, denn das Wasser ist sparsam auf einer niedrigen Insel, aber daß er sich weigern würde, in einer Kochangelegenheit dreinzureden, habe ich mir niemals träumen lassen, und ich nehme an, zu Recht oder Unrecht, daß er es ängstlich vermied, das Privatleben und die Gebräuche seiner Sklaven im geringsten anzutasten. So hat also auch hier unter einem absoluten Despotismus die öffentliche Meinung Gewicht, und selbst hier inmitten der Sklaverei hat die Freiheit eine Gasse.
    Geordnet, nüchtern und unschuldig fließt das Leben auf der Insel dahin von Tag zu Tag wie auf einer Musterfarm und unter einem Musterpflanzer. Man kann die wohltätigen Wirkungen dieses harten Regiments nicht anzweifeln. Zierliche Höflichkeit, geschmeidiges und graziöses Benehmen, etwas weibisch und augendienerisch, zeichnet die Bewohner von Apemama aus; alle Händler sprechen davon, auch Besucher, die sowenig beliebt sind wie wir selbst, empfinden es, und selbst bei dem Koch konnte man es in den Augenblicken der größten Unverschämtheit noch wahrnehmen. DerKönig stand mit seiner männlichen und einfachen Art allein da. Man könnte sagen, er sei der einzige Gilbertinsulaner auf Apemama. Gewalttaten, die in Butaritari an der Tagesordnung sind, scheinen unbekannt zu sein, ebenso Diebstähle und Trunkenheit. Man versicherte mir, daß man den Versuch gemacht habe, Goldstücke am Strande vor dem Dorfe liegen zu lassen: sie blieben unangetastet. Während meines ganzen Aufenthaltes auf der Insel wurde ich nur einmal um Alkohol angegangen. Es handelte sich um einen höchst beredten Burschen, der europäische Kleider trug und ausgezeichnet Englisch sprach, mit Namen Tamaiti, oder wie die Weißen es verhunzt hatten: Tom White, einer von den Superkargos des Königs, die für drei Pfund monatlich und einen

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