In der Südsee
die Protestanten in Hawaii den Neubekehrten das Leben mehr oder weniger unerträglich gemacht. Es ist leicht, den Missionar zu tadeln, aber es ist seine Aufgabe, Veränderungen herbeizuführen. Sicher ist es zum Beispiel seine Pflicht, Kriege zu verhindern, und doch habe ich das Kriegführen als ein Element der Gesundheit bezeichnet. Andererseits wäre es vielleicht möglich für den Missionar, vorsichtiger zu Werke zu gehen und jeden Wechsel als gewichtige Angelegenheit zu betrachten. Ich denke an den Durchschnittsmissionar, und ich glaube, daß ich ihm Gerechtigkeit widerfahren lasse, wenn ich vermute, daß er zögern würde, eine Stadt zu bombardieren, selbst wenn er dadurch einen ganzen Archipel bekehren könnte. Die Erfahrung lehrt uns allmählich, wenigstens auf den polynesischen Inseln, daß Gewohnheitswechsel eine blutigere Angelegenheit ist als ein Bombardement.
Bevor ich dies Kapitel schließe, will ich einen Punkt erwähnen, der mir vielleicht viel Kritik einträgt. Ichhabe nichts gesagt über falsche Hygiene, Baden während des Fiebers, falsche Behandlung von Kindern, Kurpfuscherei der Eingeborenen und Abtreibung, alles Ursachen, die man für die Entvölkerung oft anführt. Und ich habe jene Zustände nicht erwähnt, die beiden Epochen gemeinsam sind und in der Vergangenheit sogar verhängnisvoller waren als jetzt. Gehört die Unzucht nicht dazu? könnte man fragen. War der Polynesier nicht immer unkeusch? Zweifellos war er es immer, zweifellos aber ist er es noch mehr seit der Ankunft seiner hervorragend keuschen Besucher aus Europa. Man denke an den Hawaiibericht von Cook – und ich bezweifle nicht, daß er durchaus richtig ist. Man denke an Krusensterns offenherzige, beinahe naive Erzählung vom Besuche eines russischen Kriegsschiffes auf den Marquesas; man erinnere sich der schmachvollen Missionsgeschichte auf Hawaii selbst, wo im Kampf um die Wollust die amerikanischen Missionen einst von einem englischen Abenteurer beschossen und ein andermal von der Mannschaft eines amerikanischen Kriegsschiffes überfallen und mißhandelt wurden; man füge dem die Gewohnheit der Walfischfänger hinzu, die auf den Marquesas zu landen und eine Anzahl Frauen auf die Reise mitzunehmen pflegten; man bedenke auch, daß die Weißen zuerst als Halbgötter angesehen wurden, wie aus dem Bericht über den Empfang Cooks auf Hawaii klar hervorgeht und aus der Geschichte von der Entdeckung Tutuilas, wo die wahrhaft züchtigen Frauen von Samoa sich öffentlich den Franzosen hingaben, und man vergesse nicht, daß es Sitte der Eroberer und, man kann beinahe sagen, Pflicht der Missionare war, die heilsamsten Tabus zu bespötteln undzu vernichten. Wir sehen also alle Zerstörungsmaßnahmen auf einmal gegen eine Tugend gerichtet, die nie und nirgends sehr stark oder volkstümlich war, und der Erfolg war selbst auf den entarteten Inseln weitere Entartung. Mr. Lawes, der Missionar von Savage Island, erzählte mir, daß die weibliche Keuschheit sich dort seit der Ankunft der Weißen verringert habe. In heidnischer Zeit habe der Vater oder Bruder eines Mädchens, das ein uneheliches Kind gebar, den Säugling die Klippen hinuntergeschleudert, heute aber sei der Skandal geringfügig. Oder man denke an die Marquesas. Stanislao Moanatini erzählte mir, daß nach seiner eigenen Erinnerung die jungen Leute früher streng bewacht wurden; man duldete nicht einmal, daß sie sich auf der Straße ansahen, sondern sie gingen, wie mein Berichterstatter sich ausdrückte, gleich Hunden aneinander vorbei – und vor einiger Zeit entwichen sämtliche Schulkinder von Nuka-hiva und Ua-pu in die Wälder und lebten dort vierzehn Tage in freier Vereinigung. Leser von Reiseberichten mögen vielleicht meine Autorität bezweifeln und sich für besser unterrichtet erklären. Ich würde die Aussage eines einzigen intelligenten Eingeborenen wie Stanislao – selbst wenn er allein stünde, was durchaus nicht der Fall ist – den Berichten der ehrenhaftesten Reisenden vorziehen. Ein Kriegsschiff läuft in einen Hafen ein, ankert, schickt einige Leute an Land, empfängt und erwidert Besuche, und der Kapitän schreibt ein Kapitel über die Sitten des Landes. Man überlegt nicht, welche Klasse Menschen man auf diese Weise meistens sieht! Aber wir wären nicht gerade befriedigt, wenn ein indischer Kuli England nach den Damen beurteilte,die sich an den Kais herumtreiben, und nach den Leuten, die sich von seiner Heuer bewirten lassen. Die Ansicht Stanislaos über den
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