In der Südsee
stehen und sich ständig übereinander beschweren. Eine Priesterküche auf den östlichen Inseln ist ein elender Anblick; viele machen keine Anstrengungen, einen Garten zu unterhalten, und leben kümmerlich von den zugeteilten Rationen. Aber mit einem Gendarmen kann man nicht speisen, ohne sich die Lippen zu lecken. M. Aussels Hausmacherwurst und der Salat aus seinem Garten sind unvergeßliche Leckerbissen. Pierre Loti mag erfreut sein zu hören, daß er M. Aussels Lieblingsdichter ist, und daß seine Bücher in der zu ihnen passenden Landschaft der Bucht von Hatiheu gelesen werden.
Auf der andern Seite der Bucht ist alles religiös. Hier ragt ein überhängendes, spitziges Horn, ein gutes Seefahrerzeichen von Hatiheu, kahl aus dem Grün des hinaufkletternden Waldes empor und stürzt in steilen Schluchten und Riffen zur Küste hinab. Von der Kante einer der höchsten Grate, vielleicht siebenhundert oder tausend Fuß über dem Strand, blickt eine Marienstatue unscheinbar herab wie eine arme verlorene Puppe, von einem Riesenkind dort oben vergessen. Dies mühselig aufgerichtete Wahrzeichen der Katholiken wirkt auf Protestanten immer befremdend; wir wundern uns darüber, daß Menschen es der Mühe wert erachten, sich viele Tage abzuplagen und auf Felsgipfeln herumzuklettern zu einem Zweck, über den wir lächeln. Und doch glaube ich, es war der weise Bischof Dordillon, der den Platz auswählte, und ich weiß, daß alle, die Hand anlegten, mit Stolz auf die bestandenen Gefahren zurückblickten. Die Knabenschule ist neueren Datums, sie war früher in Tai-o-hae, neben der Mädchenschule; aber erst vor einiger Zeit, nach der gemeinsamen Durchbrennerei, wurde die ganze Breite der Insel zwischen die Geschlechter gelegt. Hatiheu muß von jeher ein wichtiger Platz für Missionen gewesen sein. Ungefähr in der Mitte der Bucht stehen nicht weniger als drei Kirchen dicht hintereinander in einem Hain von Bananen und einigen Ananas. Zwei sind aus Holz: die zuerst erbaute Kirche, die jetzt nicht mehr benutzt wird, und eine zweite, die aus einem geheimnisvollen Grunde nie benutzt wurde. Die neue Kirche ist aus Stein, mit Doppeltürmen, Strebepfeilern an den Wänden und Skulpturen an der Fassade. Der Bau selbst ist gut, einfach und formgerecht, aber die Detailsüberwuchern alles, der Architekt wurde vom Bildhauer verdrängt. In Worten kann man die Engel, die, beschwingten Erzbischöfen ähnlich, die Tür bewachen, nicht beschreiben, ebensowenig die Cherubim in den Ecken, die wahnwitzigen Wasserspeier oder die sonderbaren dramatischen Reliefs, auf denen der heilige Michael, der Patron des Künstlers, kurzen Prozeß macht mit dem widerspenstigen Luzifer. Wir wurden nicht müde, das Bildwerk zu betrachten, das unschuldig, manchmal lustig und doch im besten Sinne – im Sinne erfinderischen Geschmacks und großer Gestaltungskraft – künstlerisch ist. Ich weiß nicht, was sonderbarer ist – ein so gutes Bauwerk im Winkel einer wilden Insel oder ein so altertümliches Gebäude mit soviel glänzender moderner Beigabe. Der Erbauer, ein französischer Laienbruder, der noch lebt und wohlauf ist und weitere Gründungen plant, muß sich ohne Zweifel geschult haben an einem Meister der alten Kathedralen, und mir kam es bei der Betrachtung der Kirche von Hatiheu vor, als begriffe ich den geheimnisvollen Reiz mittelalterlicher Bildhauerkunst, diese Verbindung kindlichen Mutes von Amateuren, die wie Schulknaben auf der Schiefertafel alles versuchen mit der männlichen Ausdauer eines Künstlers, der nicht weiß, wann er besiegt ist.
Ich hatte später immer den lebhaften Wunsch, den Architekten, Bruder Michel, kennenzulernen, und eines Tages, als ich mich mit dem Residenten in Tai-o-hae, dem Haupthafen der Insel, unterhielt, wurden ein alter, ergrauter, halbblinder und asketisch aussehender Priester und ein Laienbruder zu uns hereingeführt, der Typ alles dessen, was in Frankreich von Gesundheitstrotzt, breit, klug, ehrlich und voll Humor, mit sehr großen leuchtenden Augen und einem zur Wohlbeleibtheit neigenden Körper. Abgesehen davon, daß sein Gewand schwarz und sein Gesicht glattrasiert war, kann man Männer dieser Art heute in einem halben Dutzend französischer Provinzen finden, die fröhlich in ihrem eigenen kleinen Weinberg arbeiten; und doch besaß er für mich stets eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem alten lieben Freunde meiner Jugend, Dr. Paul von West-Kirk. Beinahe vom ersten Worte an wußte ich, er sei mein Architekt, und
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