In der Südsee
wanderten weithin zu den Plätzen, von denen die Schläfer gekommen, und zu den vielen Heimatländern, von denen sie aufgebrochen waren, um schließlich hier beieinander zu ruhen.
Auf der Höhe des Vorgebirges steht das Gefängnis, den ganzen Tag sind Türen und Fensterläden dem Passatwind geöffnet. Bei meinem ersten Besuch war einHund der einzige sichtbare Wächter. Er erhob sich allerdings so drohend, daß ich froh war, einen alten Faßreifen ergreifen zu können, und ich vermute, die Waffe war ihm schon bekannt, denn der Held zog sich sofort zurück, und als ich um den Hof herum und durch das Gebäude wanderte, sah ich ihn mit einer Anzahl Genossen demütig um die Ecken nachschleichen. Der Schlafraum der Gefangenen war ein weiter, luftiger Raum, ohne alle Möbel, die weiß getünchten Wände bedeckt mit marquesanischen Inschriften und unbeholfenen Zeichnungen: eine vom Pier, nicht schlecht gemacht, eine stellte einen Mord dar, mehrere andere französische Soldaten in Uniform. Eine französische Inschrift lautete: » Je n'est (sic!) pas le sou .« Aus dieser Mittagsstille darf man nicht schließen, daß das Gefängnis unbewohnt war, der Kalabuß von Tai-o-hae ist gut besetzt. Aber einige Insassen verrichteten Gartenarbeit beim Residenten, und der Rest war wahrscheinlich beim Straßenkehren, genau so frei, wie unsere Straßenfeger, wenn auch nicht so fleißig. Beim Hereinbrechen der Dunkelheit rief man sie wie Kinder vom Spielen, und der Hafenmeister – auch ein Zuchthäusler – schloß sie der Form wegen bis sechs Uhr morgens ein. Hatte ein Gefangener irgendeine Verabredung in der Stadt, geschäftlich oder zum Vergnügen, so brauchte er nur die Fensterläden auszuhängen und bei der Rückkehr sorgsam wieder einzusetzen, vor dem Morgenappell. Traf er dabei den Hafenmeister auf der Straße, so gab es keine Beschwerde und noch weniger Strafe. Aber das ist noch nicht alles. Der liebenswürdige französische Resident, M. Delaruelle, führte mich eines Tages gelegentlich eines amtlichen Besuches in das Gefängnis.Auf dem grünen Innenhof begrüßte uns lächelnd ein recht zerlumpter Gentleman; seine Beine waren von der Inselelephantiasis entstellt. »Einer unserer politischen Gefangenen – ein Aufständischer von Raiatea,« sagte der Resident, und dann zum Aufseher gewandt: »Ich dachte, ich hätte ihm eine neue Hose bestellt.« Inzwischen ließ sich kein anderer Gefangener blicken. »Nun,« fragte der Resident, »wo sind deine Sträflinge?« – »Herr Resident,« erwiderte der Aufseher und grüßte militärisch, »da Freitag ist, habe ich sie auf die Jagd gehen lassen.« Sie waren alle in den Bergen auf Ziegenjagd! Bald darauf kamen wir zu der Frauenabteilung, die ebenfalls verwaist war. »Wo sind unsere guten Frauen?« fragte der Resident, und der Aufseher antwortete heiter: »Ich glaube, Herr Resident, sie machen irgendwo einen Besuch.« M. Delaruelle, der die kleinen Reize seines engen Reiches liebt, hatte die Absicht, mir irgend etwas Komisches zu zeigen, aber selbst er hatte es in solcher Vollendung nicht erwartet. Um das Bild des Gefangenenlebens in Tai-o-hae zu vervollständigen, muß noch hinzugefügt werden, daß diese Verbrecher genau wie der Präsident der Republik einen regelmäßigen Gehalt beziehen. Zehn Sous täglich sind ihr Lohn. Sie haben also Geld, Nahrung, Obdach, Kleidung, und ich hätte fast geschrieben: ihre Freiheit. Die Franzosen sind sicher ein gutmütiges Volk und sanfte Herren, sie sind außerdem geneigt, die Marquesaner mit humorvoller Nachsicht zu behandeln. »Sie sterben aus, die armen Teufel!« sagte M. Delaruelle, »die Hauptsache ist, sie in Frieden sterben zu lassen.« Das war nicht nur gut gesagt, sondern auch die allgemeine Ansicht, wie ich glaube. Aber ein anderer Gesichtspunktdarf nicht vergessen werden: diese Gefangenen sind für die französische Verwaltung nicht nur nützlich, sondern wesentlich. Bei einem Volk, das unheilbar faul ist, entnervt durch Zustände, die sich nur als eingewurzelte Seuchen bezeichnen lassen, von Haß entflammt gegen die neuen Herren, sind Verbrechen und Zuchthausarbeit für die Regierung Gottesgaben.
Diebstahl ist tatsächlich das einzige Verbrechen. Früher Gelegenheitsbetrüger, beginnen die Leute von Tai-o-hae jetzt damit, Schlösser zu öffnen und Geldschränke zu knacken. Hunderte von Dollars sind manchmal geraubt worden, obgleich der marquesanische Einbrecher in seiner gewinnenden Mäßigung, die allen polynesischen Dieben eigen ist,
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