In der Südsee
versunken war, strahlte der Himmel wunderbar in seiner Sternenpracht. Und als ich in dem Cockpit lag und dem Steuermann zuschaute, glitten mir Emersons Verse ins Gedächtnis:
And the lone seaman all the night
Sails astonished among stars.
In dieser glitzernden und gedämpften Helligkeit erreichten wir ungefähr um vier Glas während der ersten Wache unser drittes Atoll, Raraka. Niedrig lagen die Umrisse der Insel direkt über dem Horizont, so daß ich zunächst an einen Saumpfad erinnert wurde und wir einen kanalisierten und schiffbar gemachten Fluß zu befahren schienen. Bald darauf erschien ein roter Stern ungefähr von der Höhe und Helligkeit eines Haltesignals, und damit wechselte mein Vergleich: wir schienen an einem Eisenbahndamm entlang zu fahren, und das Auge begann instinktiv nach Telegraphenpfählen zu suchen und das Ohr einen ankommenden Zug zu erwarten. Hier und da, aber selten, wurde die flache Linie von blassen Baumwipfeln unterbrochen. Und der Lärm der Brandung begleitete uns, bald monoton rauschend, bald drohend aufbrausend.
Die Insel erstreckte sich ungefähr von Ost nach West und hinderte die Annäherung an Fakarava. Wir mußten deshalb an der Küste entlang fahren, bis wir das Westende erreichten, wo wir durch eine Meerenge von acht Meilen Breite südwärts segeln konnten zwischen Raraka und der nächsten Insel, Kauehi. Wir lagen frei im Winde, einer leichten Brise, aber Wolken von tintiger Schwärze begannen heraufzukommen, und zeitweiseblitzte es, ohne zu donnern. Irgend etwas, ich weiß nicht was, trieb uns fortgesetzt gegen die Insel. Wir lagen im Kurs immer mehr nordwärts, und man konnte fast glauben, die Küste mache unsere Manöver mit und übersegele uns. Einmal oder zweimal lagen wir Raraka wieder gegenüber, wieder wurde nach Seemannsart der ganz unschuldige Steuermann gescholten, und wieder strebte die »Casco« fort. Hätte man mir aufgetragen, auf Grund unserer Erfahrungen den Umriß dieser Insel zu zeichnen, so hätte ich eine Serie von ausbuchtenden Vorgebirgen angegeben, die einander nordwärts überragten, und hätte das Land von Südosten nach Nordwesten verlaufen lassen, während es sich auf der Karte fast ostwestlich in gerader Linie erstreckte.
Gerade hatten wir unser Manöver wiederholt und waren von Land weggekommen – nicht länger als fünf Minuten war der Eisenbahndamm unseren Augen entschwunden und die Brandung unhörbar gewesen –, als ich von neuem Land sah, nicht nur auf der Wetterseite, sondern direkt vor uns. Ich spielte die Rolle der vorsichtigen Landratte und schwieg bis zum letzten Augenblick; gleich darauf sahen die Seeleute es selbst:
»Land in Sicht!« sagte der Steuermann.
»Bei Gott, es ist Kauehi!« rief der Maat.
So war es, und damit begann ich die Kartographen zu bedauern. Wir fuhren ungefähr drei und einen halben Knoten, und sie wollten mich glauben machen, daß wir innerhalb fünf Minuten eine Insel verlassen, acht Meilen offenes Meer durchfahren hatten und beinahe auf den Strand der nächsten Insel gerannt waren. Aber mein Kapitän tat sich selber noch mehr leid, daßer in einem solchen Labyrinth spazierenfuhr, drehte bei, ließ die Lotleine herunter, setzte sich auf die Vorderreling und wartete, bis der Morgen anbrach. Er hatte genug von der Nachtfahrt in den Paumotus.
Bei Tagesanbruch, am 9. September, begannen wir Kauehi zu umfahren und hatten nun Gelegenheit, die Geographie der Atolle aus nächster Nähe zu betrachten. Hier und da ragte die gegenüberliegende Seite auf, wenn sie hoch war; hier und da tauchte das uns zugekehrte Ende ganz unter und zeigte eine breite Wasserstraße in die Lagune hinein; hier und da waren beide Seiten gleich niedrig, und wir konnten durch den unterbrochenen Ring zum Seehorizont im Süden hinübersehen. Man stelle sich in vergrößertem Maßstabe den eintauchenden Ring eines Entenjägers vor, der mit grünem Schilf besetzt ist, um seinen Kopf zu verbergen – Wasser drinnen und draußen –, so hat man das Bild eines vollkommenen Atolls. Man stelle sich nun einen solchen Ring vor, der teilweise seines Schilfrandes beraubt ist, und man hat das Atoll Kauehi vor sich. Und um sich die beiden Küsten nahebei zu vergegenwärtigen, denke man an eine alte römische Heerstraße, die einen feuchten Sumpf durchzieht, hier versunken und dort sich wieder erhebend, gekrönt mit grünem Gestrüpp, nur an Stelle des stehenden Wassers der Marsch den lebendigen Ozean, der den schwachen Wall bald immer wieder bespült, bald
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