Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
Plätzen wieder zu erscheinen. Nach und nach begannen nicht nur Inseln, sondern auch blitzende und drohende Lichter die Finsternis zu erhellen, Leuchtfeuer der Phantasie oder der überanstrengten Sehnerven, feierlich aufleuchtend und winkend, während wir vorüberzogen. Schließlich verzweifelte auch der Maat, kroch von seinem ruhelosen Nest wieder an Deck und verkündete, daß wir unser Ziel verfehlt hätten. Er war der einzige Mensch mit Erfahrung in diesen Wassern, unser einziger Lotse, den wir zu diesem Zweck in Tai-o-hae an Bord genommen hatten. Wenn er erklärte, daß wir Takaroa verfehlt hätten, so stand es uns nicht an, diese Tatsache zu bestreiten, sondern sie zu erklären, wenn wir es vermochten. Wir hatten ohne Zweifel unseren südlichen Kurs verloren. Die gekrümmte Linie unseres Kielwassers und unser einigermaßen trunkner Kurs auf der Karte bewiesen uns beide mit nicht geringer Sicherheit, daß eine heftige Westströmung vorhanden sei. Es blieb uns nichts anderes übrig als einzusehen, daß wir wieder weit nach Lee versetzt waren, und wir konnten nichts Besseres tun, als die »Casco« beizudrehen, gut Wache zu halten und den Morgen abzuwarten.
    Ich schlief in dieser Nacht an Deck auf der Cockpitbank, wie es damals meine etwas gefährliche Gewohnheit war. Schließlich erwachte ich unruhig und sah den ganzen östlichen Himmel blaßorangenfarben aufleuchten, die Kompaßlampe versank schon gegen die Helligkeit des Tages, und der Steuermann lehnte erregt am Rad. »Dort ist sie, Herr!« rief er und zeigte mitten in den Sonnenaufgang. Eine Weile konnte ich nichts sehen als die bläulichen Reste der Morgenwolkenbank, die weithingestreckt lag am Horizont wie schmelzende Eisberge. Dann ging die Sonne auf, durchbrach die Nebelreste und enthüllte ein unscheinbares Inselchen, das flach wie ein Teller auf der See lag und mit Palmen von überraschender Größe besät war.
    Soweit war alles gut. Hier war sicherlich ein Atoll, und wir waren sicherlich mitten im Archipel. Aber welche Insel? Und wo? Die Insel war zu klein für Takaroa: in der ganzen Nachbarschaft war schlechterdings keine, die so unscheinbar war, ausgenommen Tikei, und Tikei, eine von Roggeweins sogenannten Inseln des Verderbens, schien ebensowenig in Betracht zu kommen. In diesem Falle hätten wir, anstatt nach Westen zu treiben, dreißig Meilen windwärts gewinnen müssen. Und wie war es mit der Strömung? Sie hatte uns nach unseren Beobachtungen während aller dieser Tage nach Lee versetzt, und aus der Beobachtung des Kielwassers ergab sich, daß sie uns auch jetzt noch abtrieb. Wann hatte sie aufgehört, wann hatte sie wieder begonnen, und welche Art Strömung hatte uns in der Zwischenzeit nach Osten geworfen? Auf diese Fragen, die für die Navigation zwischen jenen Inseln so typisch sind, finde ich keine Antwort. Dies warenschließlich die Tatsachen: es stellte sich heraus, daß wir Tikei vor uns hatten, und unsere erste Erfahrung in dem gefährlichen Archipel war, daß wir dreißig Meilen von unserem Ziel entfernt angelangt waren.
    Der Anblick von Tikei, scharf gegen den Glanz des Morgens gesetzt, aller Farbe beraubt und entstellt von hohen Bäumen, die wie Reiser eines Besens zum Himmel ragten, konnte den Atollen schwerlich unsere Liebe gewinnen. Später am gleichen Tage sahen wir unter günstigeren Bedingungen die Insel Taiaro. »Verloren im Meere« ist ungefähr die Bedeutung des Namens. Und so sahen wir sie, verloren zwischen blauer See und dem Himmel, ein Ring von weißem Strand, grünem Unterholz und wehenden Palmen, edelsteinartig in der Farbe, von feenhafter, himmlischer Zierlichkeit. Die Brandung umspielte sie ringsumher weiß wie Schnee und brach sich an einem Punkt weit draußen in der See, an einem offenbar auf den Karten nicht verzeichneten Riff. Kein Rauch, kein Anzeichen von Menschen. Tatsächlich ist die Insel nicht bewohnt und wird nur von Zeit zu Zeit besucht. Und doch beobachtete uns ein Händler (Mr. Narii Salmon) von der Küste und verwunderte sich über das unerwartete Schiff. Ich habe seither lange Monate auf niedrigen Inseln zugebracht, ich kenne die Langeweile ihrer immer gleichen Tage und die Schwierigkeit der Beschaffung des Lebensunterhaltes. Wie groß auch der Neid gewesen sein mag, mit dem wir von Deck aus das grüne Dickicht erblickten: Mr. Salmon und seine Kameraden sahen uns mit zehnfach größerem Neid in unserem stolzen Schiff seewärts steuern.
    Äußerst lieblich brach die Nacht herein. Nachdem der Mond

Weitere Kostenlose Bücher