In der Südsee
eines abendlichen Küchenfeuers. Grillen zirpten, irgendein schriller Pfeifton erklang aus Grasbüscheln, und die Moskitos summten und stachen. Keine andere Spur von Mensch, Vogel oder Insekt war in jener Nacht auf der Insel zu entdecken. Der Mond, drei Tage alt und immer noch eine silberne Sichel auf sichtbarer Scheibe, schien durch den Palmenbaldachin mit starkem und zitterndem Licht. Die Straßen, auf denen wir gingen, waren geebnet und von Unkraut gesäubert wie ein Boulevard, hier und dort hatte man sie bepflanzt, hier und dort kauerten dunkle Häuschen im Schatten, einige mit Veranden. Ein öffentlicher Park bei Nacht und ein reicher und vornehmer Badeort in der Nachsaison bietet einen nicht unähnlichen Anblick dar. Und immer noch erstreckte sich auf der einen Seite der leise bewegte Binnensee, und von der andern grollte in der Nacht das tiefe Meer. Aber besonders an Bord, in den Stunden der Nacht, da ich besser geschlafen hätte, ergriff und beherrschte michder Reiz von Fakarava. Der Mond war untergegangen, die Hafenlaterne und zwei der größten Planeten warfen vielfarbige Strahlenbündel auf die Lagune. Von der Küste erhob sich in Zwischenräumen der heitere Weckruf der Hähne über das Orgelgebrause der Brandung. Und der Gedanke an diese entvölkerte Hauptstadt, diese lang hingestreckte ringförmige Insel mit der Krone von Kokospalmen und dem Saum von Brechern, und jener ruhige Inlandsee, der sich vor mir ausdehnte, bis er die Sterne berührte, bezauberte mein Herz für lange Stunden.
Solange ich auf dieser Insel weilte, lebten diese Gedanken ständig in mir. Ich legte mich hin zum Schlaf und erwachte von neuem mit unverminderter Empfindungsfreudigkeit für meine Umgebung. Immer wieder erschien mir das Bild dieser schmalen Straße, auf der ich wohnte, wie eine zusammengerollte Schlange, die sich in den Schwanz beißt, mitten im wütenden Ozean, und nie wurde ich müde, von der einen Seite zur andern zu wandern – beinahe nur ein Spaziergang wie über das Schiffsdeck –, von den schattigen bewohnbaren Gestaden der Lagune zu der blendend strahlenden Wüste und den hochgetürmten Wogen der gegenüberliegenden Küste. Das Gefühl der Unsicherheit auf so schmalem Wohnsitz ist mehr als phantastisch. Wirbelstürme und Flutwellen überrennen diese bescheidenen Hindernisse, der Ozean erinnert sich seiner Kraft, und wo Häuser standen und Palmen blühten, wirft er seinen weißen Gischt wieder über den einsamen Korallenstreifen. Fakarava selbst hat gelitten, die Bäume dicht hinter meinem Hause waren alle erst vor kurzem angepflanzt, und Anaa hatte sich soeben erst von einerheftigen Katastrophe erholt. Ich kannte jemand, der damals auf der Insel wohnte. Er erzählte mir, daß er und zwei Kapitäne zum Strande des Meeres gingen. Dort beobachteten sie eine Zeitlang die herankommenden Wogen, bis einer der Kapitäne plötzlich seine Hand vor die Augen legte und laut schrie, daß er den Anblick nicht länger ertragen könne. Das war am Nachmittag; in den finsteren Stunden der Nacht brach die See wie eine Flutwelle über die Insel herein, die Niederlassung wurde bis auf die Kirche und die Pfarrei fortgespült, und als der Tag wiederkehrte, fanden sich die Überlebenden in einem Chaos von entwurzelten Kokospalmen und zerstörten Häusern angeklammert.
Die Gefahr spielt jedoch nicht die entscheidende Rolle. Der Mensch ist viel empfindlicher für Unbequemlichkeiten, und die Atolle sind eine unbequeme Heimat. Auf manchen und wahrscheinlich älteren Inseln hat sich tiefer Boden gebildet, auf dem höchst wertvolle Fruchtbäume gedeihen. Ich ging spazieren auf einer, verwundert und überrascht, durch einen Wald großer Brotfruchtbäume, aß Bananen und stolperte über Tarowurzeln. Es war auf dem Atoll Namorik in der Marschallgruppe, und es ist meine einzige derartige Erfahrung. Um das entgegengesetzte Extrem zu kennzeichnen, das jedoch dem Durchschnitt weit nähersteht, will ich den Boden und die Produkte von Fakarava beschreiben. Die Oberfläche dieses schmalen Streifens besieht zum. größten Teil aus zerbrochenem Korallenkalk, der vulkanischem Gestein ähnelt und den nackten Fuß peinigt. Auf manchen Atollen, glaube ich, allerdings nicht in Fakarava, gibt er einen feinen metallischen Ton, wenn man ihn schlägt. Hier und da trifft man eine Sandbank,außergewöhnlich fein und weiß, und diese Stellen sind am unfruchtbarsten. Die Pflanzen in ihrer Art entsprießen aus dem gebrochenen Korallenstein und lieben ihn, sie tragen
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