In der Südsee
Hieb und behauptete seine Vormachtstellung mit einem Mut, den wir ihm nie zugetraut hätten. Es stellte sich heraus, daß es an jenem Tage unmöglich sei, eine Photographie von Moipu allein aufzunehmen, denn sobald er sich vor der Kamera aufstellte, trat sein Nachfolger unaufgefordert an seine Seite und verharrte höflich aber energisch auf seinem Posten. Die Porträts des Paares, gleich Jakob und Esau, Schulter an Schulter, der eine in sauberem, europäischem Anzug, der andere in seinem Barbarenstaat, repräsentieren Vergangenheit und Gegenwart ihrer Insel. Ein Friedhof mit bescheidenen Kreuzen würde das geeignetste Symbol der Zukunft sein.
Wir waren alle überzeugt, daß Moipu sein Vorgehen von Anfang bis Ende überlegt hatte. Sicherlich verlor er keine Zeit, seinen Vorteil auszunutzen. Mr. Osbourne wurde in sein Haus genötigt, aus einer alten Seekiste wurden verschiedene Geschenke ausgegraben, Pater Orens wurde gebeten, den Dolmetscher zu spielen, und Moipu schlug in aller Form vor, Bruderschaft zu schließen mit »Mata-Galahi«, Glasauge, dem nicht gerade schmeichelhaften Namen, unter dem Mr. Osbourne unter den Marquesanern bekannt war. Das Festmahl der Bruderschaft fand an Bord der »Casco« statt. Paaaeua war wie ein einfacher Mann mit seiner Familie erschienen, seine zahlreichen Geschenke waren nacheinander im Laufe mehrerer Tage eingetroffen. Moipu trat mit einem gewissen fürstlichen Gepränge auf, als wollte er in jeder Beziehung den Gegensatzunterstreichen, umgeben von Vasallen, die Geschenke aller Art trugen, von Federn aus Altmännerbärten bis zu unscheinbaren, frommen, katholischen Stichen.
Ich war diesem Manne schon vorher im Dorf begegnet und hatte ihn auf den ersten Blick verabscheut, in seinen Augen und Bewegungen lag etwas unbeschreiblich Gemeines, das mir Übelkeit bereitete, und als man die Sitte der Menschenfresserei erwähnte und er ein leises grausames Lachen ausstieß, trotzig und kriecherisch zugleich, als erinnere man ihn an ein wagemutiges Verbrechen, mischte sich Ekel in meinen Abscheu. Das ist kein sehr menschlicher Standpunkt, besonders nicht für einen Reisenden, und je näher man dem Manne kam, desto mehr gewann er. Etwas Negerhaftes im Charakter und Gesicht mißfiel mir stets, aber sein häßlicher Mund wurde anziehend, wenn er lächelte, seine Gestalt und sein Benehmen waren sicherlich edel und seine Augen prachtvoll. In seinem Gefallen an Marmelade und Pickles, in seinem Entzücken über die einander gegenüberliegenden Spiegel und die endlose Reihe von Moipus und Mata-Galahis zeigte er sich kindlich liebenswürdig. Aber ich bin mir nicht sicher: was Kindlichkeit zu sein schien, konnte auch gekünstelte Höflichkeit sein. Sein Benehmen war mir verdächtig, als übertriebe er, er war höflich und zärtlich bis zur Grenze der Belästigung, und wenn ich mich der heiteren Geistesabwesenheit erinnere, mit der er sich uns zum ersten Male näherte, und dann daran denke, wie er auf Händen und Knien über die Kajütensofas lief, den Samt betastete, sich in die Kissen vergrub und wohlgefällige »Mitais« ausstieß wie ein ungeheurer, übermäßig wohlerzogener Affe, so bin ich um so sicherer, daßbeides berechnet war. Und daraufhin frage ich mich manchmal, ob Moipu ganz allein dies höfliche Doppelspiel trieb, und ob die »Casco« wirklich so aufrichtig von den Marquesanern angestaunt wurde, wie unsere Besucher uns glauben machen wollten.
Ich will diese Skizze eines unverbesserlichen Kannibalenhäuptlings durch zwei widerspruchsvolle Züge ergänzen. Sein besonderer Leckerbissen war die menschliche Hand, von der er noch heute mit widerlicher Lüsternheit spricht, aber als er sich von meiner Frau verabschiedete, ihre Hand ergriff, sie mit tränenerfüllten Augen anblickte und sein Lebewohlgestammel im Falsett der hohen marquesanischen Gesellschaftssprache vortrug, hinterließ er in ihrem Herzen tiefe Gefühle, die ich vergeblich zu teilen versuche.
Zweiter Teil. Die Paumotu-Inseln
Erstes Kapitel
Der gefährliche Archipel – Atolle in der Nähe
Am frühen Morgen des 4. September schleppte uns ein mit Eingeborenen bemanntes Walfischboot den grünen Kanal des Ankerplatzes entlang und um das wellengepeitschte Vorgebirge herum. Auf der Höhe der Küste war der Morgen heiß, windstill und doch kristallklar, aber hoch oben die Hügel von Atuona waren ganz in Wolken gehüllt, und der Ozeanstrom der Passatwinde jagte ohne Unterlaß dahin. Als wir aus dem unmittelbaren Schutz des Landes
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