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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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unter sich begräbt. Die Eindrücke der letzten Nacht wurden also vom Tage bestätigt und änderten sich nicht. Wir segelten in der Tat auf einer Art Seestraße, die durch die Natur selbst geschaffen war, aber sie war nicht größer als manches Menschenwerk.
    Die Insel war unbewohnt, alles war grünes Buschwerk und weißer Sand, zwischen durchsichtiges blaues Wasser gesetzt, selbst Kokospalmen waren selten, obgleich manche die leuchtende Farbenharmonie vervollständigten durch herabhängende goldgelbe Fächer. Lange Zeit bemerkten wir kein Leben außer dem der Pflanzen und hörten keinen Laut außer dem der Brandung. Schweigend und verlassen glitten diese schönen Küsten an uns vorüber, tauchten unter und erhoben sich wieder aus der See, mit dichtem Buschwerk überwuchert. Und dann erschienen ein oder zwei Vögel, flatternd und schreiend, schnell wurden sie zahlreicher, und bald sahen wir über unseren Köpfen eine ungeheure Fülle beschwingten Lebens. An dieser Stelle war die ringförmige Insel meistens unter Wasser und trug hier und da auf ihrer untertauchenden Fläche ein bewaldetes Inselchen. Über einem dieser Inselchen hingen und flogen die Vögel in unglaublicher Dichte wie Schwärme von Mücken oder zahmen Bienen; weiß und schwarz sausten sie durcheinander, erhoben sich und flatterten, und das Geschrei übertönte in schrillem, grellem Gekreisch die Stimme der Brandung. Wenn man irgendein Inseltal herabsteigt, verkündet ein nicht unähnlicher Laut die Nähe einer Mühle und eines herunterstürzenden Baches. Streifend kamen einige, wie ich schon sagte, uns entgegengeflogen, einige umkreisten das Schiff, als wir wegfuhren. Der Lärm starb ab, das letzte Paar Flügel verschwand, und wieder flossen die Küsten von Kauehi an unserem Auge schweigend wie ein Gemälde vorüber. Ich vermutete damals, daß die Vögel wie unsere Ameisen oder Städter zusammenlebten, wo wir sie erblickten. Man hat mir aber spätererzählt – ob zuverlässig oder nicht, weiß ich nicht –, daß die ganze Insel oder ein großer Teil ähnlich bevölkert ist, und daß die Häufung auf einem einzigen Fleck der Beweis von der Anwesenheit eines Bootes mit Eiersammlern von einem bewohnten Nachbaratoll war. So daß hier bei Kauehi, wie am Tage vorher bei Taiaro, die »Casco« unter dem Feuer von Augen segelte, die man nicht ahnte. Und eines ist sicher richtig: daß selbst auf diesem schmalen Landstreifen eine Armee verborgen liegen könnte, ohne daß der vorüberfahrende Seemann ihre Anwesenheit erriete.
Zweites Kapitel
Fakarava: Auf einem Atoll
    Etwas vor Mittag fuhren wir an der Küste von Fakarava, unserem Ziel, entlang. Der Wind war sehr schwach, die See nahezu glatt, obgleich uns noch das unaufhörliche Brausen vom Strande begleitete wie das Geräusch eines fernen Zuges. Die Insel ist von ungeheurer Länge, die Lagune im Innern dreißig Meilen mal zehn oder zwölf und die Korallenstraße, die man Land nennt, achtzig oder neunzig Meilen lang, bei einer Breite von ungefähr zweihundert Metern. Die Teile, an denen wir entlang segelten, waren alle hoch, das Unterholz ausgezeichnet grün, der Wald von Kokospalmen in der Höhe ohne Unterbrechung, ein Anzeichen für menschliche Kultur, was ich damals noch nicht wußte. Wieder und von neuem, ohne es zu wissen, waren wir in Rufweite von Mitmenschen, und dieser verlasseneStrand war nur einen Pistolenschuß entfernt von der Hauptstadt des Archipels. Aber das Leben auf einem Atoll, das nicht eingedämmt ist, spielt sich nur an den Küsten der Lagune ab, dort liegen die Dörfer, dort ankern die Kanus und werden sie auf den Strand gezogen; die Küste des Ozeans dagegen ist ein verrufener und gemiedener Ort, der Schauplatz nur für Hexerei und Schiffbruch und nach dem Eingeborenenglauben der Jagdgrund blutgieriger Gespenster. Nach einiger Zeit entdeckten wir eine Lücke in dem niedrigen Wall, der Wald hörte auf, eine blitzende Landzunge lief in die See hinaus und kennzeichnete durch eine smaragdene Untiefe die Einfahrt. Als wir uns näherten, fanden wir eine leise Strömung, die abgeschlossene See der Lagune hatte dort ihren Anfang und ihr Ende und versuchte sich in den Schranken dieses Torweges vergeblich mit den gewaltigen Wogen des Pazifischen Ozeans zu messen. Die »Casco« entging knapp einem Anprall, aber es gibt Zeiten und Umstände, da diese Hafenmündungen der Inlandbecken Fluten ausströmen und Schiffe fortschleudern, umwerfen und ihnen die Masten brechen. Man stelle sich vor, daß eine

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