In der Südsee
Kein rein menschliches Mittel hätte ihm helfen können.
Dieser Dämon stammte sicher aus dem Grabe, aber es ist zu beachten, daß er am Tage unterwegs war. Und sowenig das in Einklang zu bringen ist mit den Stunden der Nachtwache und den vielen Hinweisen auf den Aufgang des Morgensterns, so ist es doch keine alleinstehende Ausnahme. Ich habe niemals wiederjemand getroffen, der diesen Geist, der am Tage und in den Bäumen umging, gesehen hätte, aber andere hatten den Sturz des Baumes gehört, der das Zeichen seines Kommens ist. M. Donat war einmal bei der Perlenfischerei auf der unbewohnten Insel Haraiki. Es war ein Tag ohne Windhauch, wie sie im Archipel abwechseln mit stürmischen Brisen. Die Taucher waren in der Mitte der Lagune bei ihrer Beschäftigung, der Koch, ein Junge von zehn Jahren, war bei seinen Töpfen auf dem Felde, so waren alle beschäftigt mit Ausnahme eines einzigen Eingeborenen, der Donat in den Wald begleitete, um Seevogeleier zu suchen. Plötzlich drang aus der Stille das Geräusch eines fallenden Baumes. Donat wollte weitergehen, um die Ursache festzustellen. »Nein!« rief sein Begleiter aus, »das ist kein Baum. Es war etwas nicht in Ordnung. Laßt uns zum Lager zurückkehren.« Am nächsten Sonntag wurden die Taucher beauftragt, jenen ganzen Inselabschnitt gründlich zu durchsuchen, und es stellte sich mit Sicherheit heraus, daß kein Baum umgestürzt war. Etwas später sah M. Donat einen seiner Taucher vor einem ähnlichen Geräusch fliehen, in ebenso echter Angst auf derselben Insel. Aber niemand wollte eine Erklärung abgeben, und erst später, als er Rua traf, lernte er den Grund ihres Schreckens kennen.
Aber ob bei Tage oder bei Nacht: das Ziel der Toten, das sie in ihrer furchtbaren Betriebsamkeit verfolgen, ist immer dasselbe. Auf Samoa hatte mein Gewährsmann keine Vorstellung von der Nahrung der Waldgeister; eine solche Unklarheit herrschte im Geist der Paumotuaner nicht. In diesem dürftigen Archipel müssen Lebende und Tote gleicherweise um ihre Nahrungkämpfen, und während die Lebenden in der Vergangenheit Kannibalen waren, sind es die Geister noch jetzt. Da die Lebenden die Toten aßen, schufen nächtliche Schreckensvorstellungen den entsetzlichen Gedanken, daß die Toten die Lebenden äßen. Zweifellos erschlagen sie Menschen, zweifellos verstümmeln sie sie sogar aus lauter Bosheit. Marquesanische Geister reißen den Reisenden manchmal die Augen aus, aber auch das mag praktischer sein, als es erscheint, denn das Auge ist eine kannibalische Delikatesse. Und sicher ist die Hauptbeschäftigung der Toten, wenigstens auf den östlichsten Inseln, die Nahrungssuche. Als besonderen Leckerbissen für eine Mahlzeit verschrie das Weib bei der Beerdigung Mr. Donat. Es gibt außerdem Geister, die nicht die Körper, sondern besonders die Seelen der Toten rauben. Das geht klar hervor aus einer tahitischen Erzählung. Ein Kind wurde krank, sein Zustand verschlimmerte sich rasch, und schließlich traten Anzeichen des Todes ein. Die Mutter eilte zum Hause eines Zauberers, der in der Nähe wohnte. »Es ist gerade noch Zeit,« sagte er, »ein Geist ist soeben an meiner Tür vorübergelaufen, der die Seele deines Kindes in einem Puraoblatt eingewickelt forttrug, aber ich habe einen stärkeren und schnelleren Geist, der ihn erreichen wird, bevor er Zeit hat, sie zu verzehren.« Eingewickelt in ein Blatt: genau wie andere eßbare Dinge, die leicht verderben.
Oder man vernehme ein Erlebnis von M. Donat auf der Insel Anaa. Es war eine sehr windige Nacht mit heftigen Regengüssen, sein Kind war sehr krank, und der Vater lag wach, obgleich er zu Bett gegangen war, und lauschte auf den Sturm. Plötzlich wurde einHuhn heftig gegen die Hauswand geschleudert. In der Annahme, er habe vergessen, das Tier mit den übrigen in den Stall zu sperren, stand Donat auf, fand das Tier (einen Hahn) auf der Veranda liegen und setzte es in den Hühnerstall, worauf er die Tür sorgfältig verschloß. Fünfzehn Minuten später geschah das gleiche, nur krähte der Hahn, als er gegen die Wand geschleudert wurde. Wieder brachte Donat das Tier zurück, sah den Hühnerstall gründlich nach und fand ihn vollkommen in Ordnung. Inzwischen blies der Wind sein Licht aus, und er mußte sich heftig erschrocken zur Tür zurücktasten. Noch ein drittes Mal wurde der Hahn gegen die Wand geschleudert, ein drittes Mal brachte Donat das jetzt halbtote Tier in den Hühnerstall zurück, und als er eben wieder im Hause war, stürmte etwas
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