In der Südsee
Sonnenbestrahlung hergerichtet; auf den Karolinen, im äußersten Westen, wird sie im Rauch des Familienherdes getrocknet. Außerdem ist die Kopfjägern noch üblich dicht bei meiner Wohnungauf Samoa. Und vor knapp zehn Jahren mußten die Witwen auf den Gilbertinseln das Haupt ihres toten Gatten wieder ausgraben, reinigen, polieren und dann Tag und Nacht mit sich herumtragen. In allen diesen Fällen dürfen wir annehmen, daß der Prozeß des Reinigens oder Trocknens den Aitu völlig vertrieben hat.
Aber der paumotuanische Glaube ist dunkler. Hier wird der Mann regelrecht bestattet und muß bewacht werden. Obgleich er gut bewacht wird, geht der Geist um. In der Tat ist es nicht der Zweck der Nachtwachen, diese Wanderungen zu verhindern, sondern man will durch höfliche Aufmerksamkeit die natürliche Bosheit des Toten besänftigen. Vernachlässigung, so glaubt man, kann ihn erregen und so seine Besuche veranlassen, aber die Alten und Schwachen halten die Gefahren der Nachtwachen oft für gleich groß und bleiben zu Hause. Man beachte, daß es die Angehörigen und nächsten Freunde des Toten sind, die auf diese Weise durch Nachtwachen seinen Zorn besänftigen. Selbst diese Versöhnungswachen hält man für gefährlich, wenn man nicht in Gesellschaft ist, und man wies mir in Rotoava rühmend einen Knaben, der allein am Grabe seines eigenen Vaters gewacht hatte. Weder die verwandtschaftlichen Beziehungen des Toten noch seine im Leben bewiesenen Charaktereigenschaften beeinflussen die Ereignisse. Ein früherer Resident, der auf Fakarava am Sonnenstich starb, war während seines Lebens beliebt, und man erinnerte sich seiner immer noch mit Zuneigung. Nichtsdestoweniger ging sein Geist auf der Insel um und erregte Schrecken, und die Nachbarschaft des Regierungsgebäudes wurde immer nochnach Eintritt der Dunkelheit gemieden. Man kann den trostreichen Glauben so zusammenfassen: alle Menschen werden Vampire, und der Vampir verschont niemand. Und hier stehen wir einem sonderbaren Widerspruch gegenüber, denn die pfeifenden Geister sind anerkanntermaßen Stammesgeister, man erzählte mir, daß sie nur ihren Angehörigen dienen und sie beraten, und daß das Medium stets vom Stamme des sich mitteilenden Geistes sei. So sehen wir also, wie Familienbande einerseits in der Stunde des Todes zerrissen werden und anderseits wohltätig fortbestehen.
Die Kinderseele in der tahitischen Erzählung wurde in Blätter eingehüllt. Die Seelen der soeben Verstorbenen sind der feinste Leckerbissen. Werden sie getötet, so wird das Haus mit Blut befleckt. Ruas toter Fischer war verwest und in ebenso furchtbarer Weise sein Baumdämon. Der Geist ist also Materie, und durch körperliche Anzeichen der Zersetzung unterscheidet er sich vom Lebenden. Diese Ansicht ist weit verbreitet, sie verleiht den häßlichen polynesischen Erzählungen ungeheure Scheußlichkeit und entstellt die schöneren zu unangenehmer Disharmonie. Ich will zwei Beispiele anführen von weit entfernten Örtlichkeiten, das eine aus Tahiti, das andere aus Samoa.
Zunächst Tahiti. Ein Mann besuchte den Gatten seiner Schwester, die vor einiger Zeit gestorben war. Zu Lebzeiten war seine Schwester nach Insulanerart hübsch gekleidet gewesen und hatte immer einen Blumenkranz als Schmuck getragen. Um Mitternacht wachte der Bruder auf und bemerkte, wie ein himmlisches Leuchten im dunklen Hause auf und ab wanderte. Ich vermute, daß die Lampe erloschen war, denn keinTahitier würde sich ohne Licht niedergelegt haben. Eine Weile lag er verwundert und entzückt da, dann rief er die andern herbei: »Riecht niemand von euch Blumen?« fragte er. »Oh,« sagte sein Schwager, »wir sind schon daran gewöhnt.« Am nächsten Morgen gingen die beiden Männer spazieren, und der Witwer gestand, daß seine tote Frau ständig zu dem Hause käme, und daß er sie sogar gesehen habe. Sie war in Gestalt und Kleidung wie zu Lebzeiten mit Blumen bekränzt, nur bewegte sie sich einige Zoll über dem Boden und schwebte rasch vorwärts. Die Oberfläche des Flusses überflog sie trockenen Fußes. Und jetzt kommt, was ich betonen möchte: sie ließ immer ihre Rückseite sehen, und die beiden Schwager besprachen die Angelegenheit und waren beide der Ansicht, daß sie dadurch den Beginn der Verwesung verbergen wollte.
Nun die samoanische Geschichte. Ich verdanke sie der Freundlichkeit von Dr. F. Otto Sierich, dessen gesammelte Volkssagen ich mit allergrößtem Interesse erwarte. Ein Mann auf Manu'a war mit zwei
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