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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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starkknochiges Gesicht mit den geraden Brauen konzentriert zusammengezogen, wischte er den verschütteten Kaffee auf und stellte den umgefallenen Pappbecher wieder hin.
    »Hast du dich verbrüht?« Er musterte die Kaffeespritzer auf meiner Bluse mit blau-weißem Karomuster und meiner Jeans. Wie betäubt schüttelte ich den Kopf. »Warte, ich hol dir einen neuen. Caffè Latte Grande. Ohne alles, richtig?«, fragte er mit Blick auf den mit seinem Inhalt beschrifteten Becher. Ich nickte.
    Aus dem Augenwinkel sah ich ihn weggehen und mit rasendem Herzschlag starrte ich einige Sekunden vor mich hin. Es konnte nicht sein, es konnte einfach nicht sein. Tote kehrten nicht zurück. Oder doch? Vorsichtig warf ich einen Blick über meine Schulter. Er hatte gerade dasselbe getan und wandte jetzt hastig den Kopf wieder nach vorne. Seine Schultern unter der grellgrünen Sweatjacke ruckten, als wäre ihm mein Blick unangenehm. Oder als wäre er unsicher. Ich beobachtete ihn, wie er in der Schlange vorrückte und dann seine Bestellung aufgab. Er war genauso groß wie Nathaniel und auch ungefähr in demselben Alter, neunzehn oder zwanzig. Vielleicht ein bisschen schmaler gebaut, das konnte ich nicht genau erkennen; nicht unter der weiten Jacke und den locker sitzenden Jeans, in deren Gesäßtasche ein zerlesenes Paperback steckte und zu denen er abgestoßene Turnschuhe trug. Als er weiterging und ich dabei einen Seitenblick von ihm auffing, sah ich schnell wieder geradeaus, und mein Blick fiel auf seinen Becher. JOE war mit schwarzem Filzstift daraufgeschrieben. Er hieß Joe. Einfach nur Joe. Nicht Nathaniel. Ich sank auf meinem Hocker in mich zusammen.
    Womöglich hatten sich die Ärzte geirrt und mein Hirn hatte durch den Aufprall meines Schädels auf den Asphalt oder durch den Herzstillstand doch einen Schaden abbekommen, obwohl auch die letzten CT s und Tests ohne Befund gewesen waren. Vielleicht war ich seitdem auch völlig durchgeknallt – oder es vorher schon gewesen, sodass ich mir meine Zeit mit Nathaniel tatsächlich nur eingebildet hatte. Oder …
    »Hier.« Er stellte den frischen Kaffeebecher vor mir ab. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.«
    »Danke«, flüsterte ich, und aus einem Bauchgefühl heraus setzte ich schnell hinzu: »Der Platz ist übrigens tatsächlich noch frei. Also – falls du jetzt noch neben mir sitzen magst.«
    Er zögerte, dann zuckte ein winziges Lächeln um seine Mundwinkel. »Klar. Warum nicht.«
    Aus dem Augenwinkel beobachtete ich ihn, wie er schweigend neben mir saß und an seinem Kaffee nippte. Die Ähnlichkeit zu Nathaniel war wirklich verblüffend, sogar die kleine halbmondförmige Narbe zwischen Schläfe und Jochbein konnte ich entdecken. Nur bewegte sich Joe anders, nicht halb so geschmeidig wie Nathaniel früher, eher ein bisschen unbeholfen. Als ob ihm sein Körper noch fremd war, weil … Stopp, Amber. Hör auf, so zu denken. Er kann nicht Nathaniel sein, das ist unmöglich.
    »Was ist mit deinem Bein passiert?« Mit dem Kinn ruckte er in Richtung der Krücke.
    »Ich hatte vor ein paar Monaten einen Unfall. Ein Taxi hat mich erwischt.« Ich bekam einen Kloß im Hals und konzentrierte mich auf den Kaffeebecher vor mir. »Ein sehr guter Freund von mir ist dabei gestorben.«
    Ich spürte seine Augen auf mir. »Das tut mir sehr leid.«
    »Danke«, würgte ich hervor, nahm meinen Becher und trank einen Schluck Kaffee, an dem ich mir prompt die Zunge verbrannte.
    Er nickte zu dem leeren Kaffeebecher hin, den ich vorhin umgestoßen hatte »Amber heißt du, ja?« Am-berrr. Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken und ich nickte. »Passt zu dir.«
    Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen. »Nimm’s mir nicht übel – aber ich finde, du siehst gar nicht aus wie ein Joe.«
    Rasch senkte er die Augen auf den Kaffeebecher in seinen Händen; sein ganzes Gesicht war in Bewegung und spannte sich dann an. Mit einem tiefen Einatmen richtete er sich wieder auf; der Ausschnitt seines übergroßen weißen T-Shirts unter der Sweatjacke geriet dabei ins Rutschen und ich erhaschte einen Blick auf sein Schlüsselbein. Die Stelle, die mich an Nathaniel immer ganz verrückt gemacht hatte. Und darüber konnte ich an seinem Hals eine Ader heftig pochen sehen. Ich hätte losheulen können.
    »Ähm, also«, fing er verlegen an und fuhr sich mit einer Hand durch die Locken. »Ich hoffe, du hältst mich jetzt nicht für verrückt oder denkst, dass ich dich irgendwie blöd anmachen will …«

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