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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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ich hier eigentlich? Ich würde nie dazugehören, nicht zu Mädchen wie Sharon, Felicia und Danielle, und ich wollte es auch nicht; lieber blieb ich allein. Ich riss mich von Felicia los und machte auf dem Absatz kehrt. Die Stimmen der drei, die meinen Namen riefen, blendete ich einfach aus, genau wie alles andere. Ich wollte weg hier, allein sein. Ich vermisste Mam, und ich vermisste mein Leben, wie es einmal gewesen war. Und ich hatte schreckliches Heimweh. Wie auf Autopilot geschaltet, schaffte ich es über eine große Straße, ohne angefahren zu werden, und blind und taub marschierte ich einfach weiter.
    Nur langsam klarte das wattige Gefühl in meinem Kopf auf. Nach und nach drangen wieder Geräusche zu mir durch, nahm ich Stück für Stück wieder meine Umgebung war. Glatte Fassaden aus Backstein oder Beton, die Einfahrt zur Tiefgarage eines Hotels. Ich blieb stehen und sah mich um.
    Ich hatte keine Ahnung, wo ich war.
    Kurz durchzuckte mich der Gedanke, Ted anzurufen, aber dazu hätte ich erst einmal ungefähr wissen müssen, wo ich mich befand. Außerdem hatte er seine wichtige Sitzung – und welche Standpauke mich danach erwartete, wollte ich mir lieber nicht vorstellen. Bevor ich diese Kröte schluckte, würde ich wenigstens versuchen, irgendwie selbst den Weg in die Sacramento Street zu finden.
    Ich schlüpfte in den zweiten Schultergurt und rückte mir den Rucksack zurecht, bevor ich weiterging. Immer wieder warf ich bange Blicke nach oben, von wo sich dicker Nebel in die Häuserschlucht senkte und den ersten Hauch von Dämmerung mitbrachte. Totenstill war es hier; ein Auto brauste vorbei und einige Augenblicke später noch eines, danach war die Straße wieder leer.
    Als ich nah genug war, um das Straßenschild hinter der nächsten Kreuzung zu lesen, atmete ich auf. Leavenworth – diese Straße kannte ich, ich musste ihr nur folgen; vielleicht würde ich unterwegs auch an einer Bushaltestelle vorbeikommen und sicher an einem Laden oder Lokal, in dem ich nach dem Weg fragen und bestimmt auch ein Taxi bestellen konnte.
    Ich wollte gerade in die Leavenworth einbiegen, da richteten sich drei Augenpaare auf mich. Die bulligen Typen, die an der Ecke herumlungerten, waren deutlich älter als ich, aber noch nicht so alt wie Ted. Zwei schwarz, einer weiß, in abgetragenen Jeans und Parka oder Armeejacke; der Weiße schlenkerte unaufhörlich unter klirrendem Geräusch einen schweren Schlüsselbund in den Fingern. Mein Magen krampfte sich zusammen und mit gesenktem Kopf ging ich geradeaus weiter. Schnell, denn ich hörte Schritte hinter mir. Neben mir. Ein massiger Körper schob sich mir in den Weg und bremste mich aus. Ich wollte zur Seite ausweichen, doch auch dort baute sich einer der Typen vor mir auf.
    »Na, Süße, Schule schon aus für heute?«, raspelte der vor mir mit rauer Stimme.
    Ich machte einen Schritt nach vorne, um mich zwischen den beiden durchzuschieben; jemand packte den Griff meines Rucksacks und riss mich zurück, und der vor mir grapschte sich meine Oberarme.
    »Hey, hey, immer langsam, Missy.«
    Ich roch Alkohol und speckige Haut, muffige Kleidung und alten Schweiß; ihnen in die Gesichter zu schauen, brachte ich nicht fertig. Ich ruckte an meinen Armen und wand mich in dem Griff der behaarten, von Tattoos überzogenen Hände, tat mir damit aber nur selber weh. Schrei um Hilfe! Na los! Schrei! Aus meinem Mund kam nur ein ängstliches Fiepen.
    »Was haben Mommy und Daddy dir denn Schönes eingepackt?« Der neben mir riss den Reißverschluss der Seitentasche auf. »Nun schaut euch den alten Knochen an!« Mein Handy krachte auf den Asphalt; einzelne Plastikteile splitterten ab, und der Motorradstiefel, der gleich darauf hinabdonnerte, gab ihm den Rest. An meinem Rucksack wurde herumgezerrt, und ich dachte an meinen Laptop, der noch so gut wie neu war, kaum ein Jahr alt, mit all den Mails von zu Hause darauf und meinem Aufsatz für Literatur, und an meinen MP 3-Player mit all den Songs, die mir etwas bedeuteten. Der Typ neben mir pfiff durch die Zähne und hielt mir meine Kreditkarte unter die Nase.
    »Da hast du aber einen lieben Daddy! Bist bestimmt ein ganz braves Mädchen, oder?«
    Mein Geldbeutel. Sie hatten meinen Geldbeutel. Mit einem Foto von Mam darin. Mir rutschte ein trockener Schluchzer heraus, und dann erst hörte ich selbst, wie laut und keuchend mein Atem ging.
    Eine schwere Hand legte sich auf meine Hüfte und wanderte abwärts, um meine Hosentaschen abzutasten. Ich senkte den

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