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In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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wieder zuzuschieben. Geduckt und mit Beinen wie aus Gummi humpelte ich die Stufen hinauf, ließ aber die hinter Säulen und einer Balustrade zurückgesetzte Tür links liegen und stieg stattdessen auf halber Treppe über den Sims der niedrigen Begrenzungsmauer auf der rechten Seite. Als gehorchte ich einer inneren Stimme, zwängte ich mich durch das Gebüsch und hastete über den hohen Rasen um das Haus herum.
    Wie in einem Traum, in dem man sich an Dinge erinnert, ohne genau zu wissen, woher, fand ich die schmale Holztür auf der Rückseite, die in tiefen Schatten lag. Ich lehnte mich dagegen, und unter widerwilligem Ächzen ließ sie sich nach und nach aufdrücken, bis ich mich daran vorbeiwinden und sie hinter mir wieder ins Schloss drängen konnte.
    Fahle Lichtstrahlen erhellten von irgendwoher die Dunkelheit, in die ich noch ein paar Schritte hineintaumelte, bevor ich auf die Knie sackte und dann auf meine Handflächen vornüberfiel, dass mir der Rucksack ins Genick stieß. Panisch rang ich nach Luft, die mir in der Brust brannte; Mund, Kehle, Lungen fühlten sich wie verätzt an und meine Rippen wie ineinander verkantet. Ich hustete und keuchte und würgte. Sternchen tanzten mir vor den Augen; mein Magen sauste aufwärts und gleich wieder nach unten und ich musste mich beinahe übergeben. Röchelnd schluckte ich den sauren Geschmack in meinem rauen Hals hinunter.
    Meine Beinmuskeln schlackerten, und ich brauchte ein paar Anläufe, bis ich mich aufrappeln und vorwärtsstolpern konnte. Eine kurze Treppe hinauf und durch einen Korridor, der so schmal war, dass ich mich mit beiden Händen links und rechts an den Wänden abstützen und daran entlangtasten konnte, bis er mich in einem hohen, weiten Raum in grauem Dämmerlicht ausspuckte. Die Scheinwerfer eines vorüberfahrenden Autos ließen, von buntem Glas gefiltert, Streifen schwachen Lichts hindurchwandern, blau und violett getönt. Im Wechsel glitten helle Bahnen und sich ausdehnende und wieder zusammenziehende Schatten über den Fuß einer breiten Treppe mit massivem Geländer hinweg, die nach oben führte und sich dort irgendwo in der Finsternis verlor. Teils geschlossene, teils offen stehende Türen konnte ich ausmachen und seltsame Gebilde, die ich erst einige Augenblicke nachdem der letzte Lichtstreif vorbeigewandert war, als von Laken verhüllte Möbelstücke erkannte.
    Der Holzboden knarrte unter meinen Gummisohlen, als ich mich in die Mitte des Raums bewegte. Ich schlüpfte aus den Gurten meines Rucksacks, ließ mich niederplumpsen und streckte meine schmerzenden Beine von mir. Noch immer ging mein Atem schnell und mein Pulsschlag hämmerte mir in den Ohren.
    Doch nach und nach überwog die satte, dichte Stille um mich herum, die mir verriet, dass ich meine Verfolger irgendwo auf dem Weg hierher abgehängt hatte. Dass ich in Sicherheit war.

13
    Ich stand oben an der Treppe und schaute zu ihr hinunter.
    Als sie sich niederließ, hockte ich mich ebenfalls hin und sah ihr durch die geschnitzten Streben hindurch zu, wie sie sich mit dem Ärmel über das Gesicht rieb, dann aufseufzend auf den Rücken fallen ließ und die Knie anzog. Immer wieder lief ein Zittern durch ihre Beine, das sie loszuwerden versuchte, indem sie sie locker ausschüttelte.
    Ihre Augen waren geschlossen, das konnte ich erkennen, und auch dass ihr langes Haar einen rötlichen Schimmer hatte. Sie war wirklich sehr jung, kein kleines Mädchen mehr, aber auch noch keine Frau. Ich wäre gern zu ihr hinuntergegangen, um sie aus der Nähe zu betrachten. Um mehr von ihrem Gesicht sehen zu können. Aber etwas hielt mich davon ab, eine Art von Scheu, die mir sonst fremd war.
    Sie war anders als die anderen, die früher ab und zu hier eingedrungen waren. Die mit betont festen Schritten umhermarschierten, Fenster und Türen aufrissen und die verhüllten Möbel verrückten. Überlaut und forsch hatten ihre Stimmen dabei geklungen, als wollten sie damit die Stille in den Räumen hinausfegen und ihr Unbehagen übertönen. Und keiner von ihnen war je wieder zurückgekehrt.
    Sie jedoch war voller Angst hier hereingestürmt; eine Angst, die nun von ihr abperlte und irgendwo im Raum versickerte. Als fühlte sie sich hier gut aufgehoben. Ausgerechnet hier.
    Sie verwirrte mich und das ließ mich auf der Hut sein. Vor ihr. Vor mir selbst.
    Dennoch verspürte ich Bedauern, als sie irgendwann die Augen öffnete und sich aufsetzte, auf wackeligen Beinen zum Stehen kam und ihren Rucksack aufhob. Ich wollte sie

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