In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Teich in Strathearn? Sie, Ihre Mutter und hier, Ihr Vater.« Er beugte sich vor und nahm ihre Hand. »Costello, haben Sie sich Anthony Abbott nicht genauer angeguckt und eine Ähnlichkeit festgestellt?«
»Mit wem?«
»Na ja, haben Sie nie gehört, dass er der kleine Tony genannt wurde?«
»Nein.« Sie blinzelte. »Das hätte ich mir gemerkt. Mein Vater wurde so genannt.«
O’Hare lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Es war schließlich Anderson, der sagte: »Costello, der kleine Tony war Ihr Vater.«
In stillem Einverständnis schwiegen Batten und Quinn auf dem Weg durch das Western Infirmary über den Parkplatz zu Quinns Lexus. Sie brauchten mehr Zeit zum Reden als die paar Minuten Fahrt zurück zum Revier.
Quinn knöpfte sich den Kragen ihres Wintermantels zu, weil ihnen der eisige Wind vom Clyde ins Gesicht blies. »Diese vier Fotos gegenüber dem Bett – Castiglia wollte alle wieder vereint haben, oder?«
»Er hat den Ehering seiner Mutter an einer Kette um den Hals getragen, als er ertrank, und das scheint mir darauf hinzudeuten«, stimmte Batten zu.
»Beunruhigend ist, dass er außerdem Costellos Hausschlüssel in der Tasche hatte.« Quinn zitterte und band sich den Wollschal fester um. »Ich wusste, sie hatte den Rucksack draußen im Barochan Moss vergessen – Mulholland hat ihn Castiglia übergeben, der ihn ihr ins Krankenhaus mitgenommen hat. Es würde mich nicht wundern, wenn Castiglia in ihre Wohnung eingedrungen ist, den Ehering gefunden und ihn hat mitgehen lassen. Allerdings möchte ich Costello im Augenblick nicht danach fragen. Das würde ihr zu viel Angst machen – jemand in ihrer Wohnung, der ihre Sachen durchsucht. Der DNA -Test hat es jedoch bestätigt: Harry war ihr Bruder, Tony ihr Vater.«
»Gott, was für eine Familie.«
»Ja, wirklich. Ich freue mich nicht darauf, ihr die Sache mit Castiglia zu erklären. Wenn der lange verschollene Vater stirbt, um Sie zu retten, ist das schon schlimm genug, aber wenn der eigene Bruder versucht, Sie zu ermorden, ist das kaum zu begreifen. O’Hare sagt, dass Harry Castiglia eine massive Gaumenrekonstruktion vorweist. Also können Sie sich Ihr Psychologenköpfchen mal über ihn zerbrechen … jungen Frauen einen Radschlüssel in den Mund zu rammen, weil ihre kleine Schwester so hübsch war?«
»Dabei geht es um viel mehr, Rebecca. Es geht um die Ablehnung und Zerstörung des Perfekten. Harry war verunstaltet und wurde zurückgewiesen; Costello, das Baby, war hübsch und wurde geliebt – so dürfte es für ihn ausgesehen haben. Das wird aus einem Kind, wenn es sich von seinen Eltern zurückgewiesen fühlt. Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Einzelkind, unterscheiden sich aber von den anderen. Sie sind so hässlich, dass die Menschen weggucken. Dann kommt ein perfektes zweites Kind in die Familie, und Sie verwechseln die Aufmerksamkeit, die der Säugling braucht, mit Liebe und Zuneigung, die Ihnen selbst versagt bleiben. Er war verrückt nach der Anerkennung seiner Familie und wollte nur dazugehören.«
»Aber Millionen von Menschen haben jüngere Geschwister«, wandte Quinn ein. »Und viele Menschen kommen mit Geburtsfehlern zur Welt …«
»Aber Millionen von Menschen werden ohne pathologischen Narzissmus geboren, und das ist der entscheidende Unterschied. Während sie aufwuchs, wurde sie hübscher und attraktiver, und er verwandelte sich in ein Nichts. Narziss wurde zum bloßen Echo.«
»Warum, glauben Sie, hat Abbott die Familie verlassen und den kleinen Harry mitgenommen?«
Batten seufzte. »Es gibt niemanden mehr, den wir danach fragen könnten. Vielleicht ist die Ehe einfach nicht mehr gut gelaufen. Wenn ich das recht verstanden habe, war Costellos Mutter eine schwierige Frau. Sie hat sich emotional von ihrer Tochter und ihrem Sohn zurückgezogen.«
»Und das ist noch milde ausgedrückt«, ergänzte Quinn. »Sie hat Trost im Alkohol gesucht.«
»Oder vielleicht hat Abbott etwas in dem Kind gesehen, das ihn befürchten ließ, sein Sohn könne zur Gefahr für seine kleine Tochter werden.«
»Aber warum hat er ihr nicht gesagt, wer er ist? Castiglia, meine ich.«
»Und sich ihr als makelbehafteter und fehlbarer Mensch offenbart? Nein, er wollte die ganze Anerkennung, und zwar zu seinen Bedingungen und zu dem Zeitpunkt, den er bestimmte. 1988 verwandelte sich Harry Costello in Harry Castiglia. Er traf die Entscheidung, seine Familie zu verlassen und auf seine eigene Weise zu ihr zurückzukehren.«
»Warum dieser exotische Name?
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