In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
…«
»Dann lag sie einfach da.«
»Es muss doch eine Erklärung für all die Verletzungen geben, Diane«, drängte Mulholland vorsichtig.
»Marita sagte, sie wisse nicht, woher die stammten. Sie hat den Stein genommen und …« Dianes Hand zeigte eine schlagende Bewegung.
Mulholland beschrieb die Bewegung, damit sie mit in die Aufzeichnung kam. »Sie meinen, Marita hat ihre Schwester mit dem Stein geschlagen?«
»Ja, auf den Kopf.«
»Während sie am Boden lag?«
»Ja.«
Mulholland machte sich ein paar Notizen und überlegte, wie oft Marita zugeschlagen haben musste … und wie kräftig. Stark genug, damit das Hirn gegen den Schädel krachte. Er erinnerte sich an die Fotos – Itsy war der Stiefel halb vom Fuß gerutscht, und sie hatte keine Chance zu fliehen. Marita hatte sie zur Strecke gebracht wie die Löwin eine Gazelle. Plötzlich spürte er, wie Diane seinen Unterarm umklammerte.
»Aber das war nicht Maritas Schuld. Bestimmt nicht. Es lag an Itsy, sie hat sich über Marita lustig gemacht, hat gelacht und gesagt, dass sie ein Baby bekommt, und Marita hat es nicht ertragen. Sie konnte keine Kinder bekommen, deshalb hat es sie so aufgeregt. Sie hätte Itsy zur Abtreibung gezwungen. Marita konnte keine Kinder in ihrer Umgebung ertragen, Marita nicht.« Diane stellte es dar, als seien Kinder das Schlimmste.
»Und wie kommt Bobby ins Spiel?«
»Wir haben versucht, ihr ein Alibi zu verschaffen. Bobby ist schnell konfus, und er tut, was man ihm sagt, solange man es nur streng genug sagt.« Sie schnaubte. »Ich sollte behaupten, Bobby und Itsy hätten sich nahegestanden. Marita meinte, die Polizei werde kommen, und das müsse ich sagen, aber es sei ja auch keine Lüge. Es sollte sich so anhören, als sei Bobby …«
»Gemeingefährlich?«
Diane schenkte ihm den Abglanz eines Lächelns. »Sie wusste, Bobby würde ein ernsthaftes Verhör nicht durchstehen. Tony hatte sowieso kein Zeitgefühl, also würde er kein Problem darstellen, solange Sie nur glaubten, Bobby habe Itsy geliebt.«
»Tja, da lagen Sie immerhin halb richtig. Bobby hat Itsy geliebt. So sehr, dass er Marita mit einem Stein erschlagen hat, als er herausgefunden hat, was sie mit Itsy gemacht hat. Genau so, wie sie Itsy getötet hat.« Mulholland spürte, wie ihm flau im Magen wurde. Genau deswegen blühte ihm ein Disziplinarverfahren. Doch er war sich seiner Sache so sicher gewesen.
»Diane, wie lange haben Marita und Sie sich gekannt?«
Diane richtete sich auf, und das alte Lächeln kehrte zurück. »Wir haben in den Neunzigern bei diesem Schönheitszirkus mitgemacht und uns angefreundet. Sie wissen ja, wie sie war. Sie hatte eine vereinnahmende Persönlichkeit. Absolut unwiderstehlich.« Sie zog die Strickjacke zusammen und starrte auf die Spitze eines ihrer Stiefel. »Ich muss zugeben, Itsy habe ich gehasst. Immer hat sie Marita Schuldgefühle dafür eingeredet, weil sie so geworden ist, wie sie ist. So ein Unfug.«
»Was wissen Sie darüber? Marita war selbst noch ein Kind damals.«
»Dadurch wird es nicht leichter, damit zu leben«, sagte Diane. »Es war eine kindliche Dummheit. Sie saßen zusammen in der Badewanne. Marita hat an Itsys Füßen gezogen. Itsys Kopf ging unter, und sie … bekam diesen Schaden.« Sie spielte es mit einer wegwerfenden Geste herunter. »Das war alles.«
Mulholland rechnete schnell. »Ja, wir wissen das. Eine Fünfjährige und eine Dreijährige allein in der Badewanne – das könnten wir als tragischen Unfall akzeptieren. Aber Marita hat in Hinsicht auf ihr Alter jahrelang gelogen. Jetzt kennen wir ihre Geburtsurkunde. Tatsächlich war sie schon acht, als es passierte. Halten Sie es trotzdem für einen Unfall?«
Schulterzucken. »Natürlich.«
»Und Iain?«
»Iain hat Marita nichts bedeutet, er stellte für sie nur ein Bankkonto und die Chance auf gesellschaftliche Anerkennung dar. Die hat sie nicht bekommen. Sie wurde nicht zu Mrs. Kennedy, sondern er wurde zu Maritas Ehemann.« Diane blickte Mulholland an. »Ich war die ganze Zeit dabei, wissen Sie. Ich war immer da während aller Männergeschichten. Ich war die wichtigste Person in ihrem Leben, ich war immer für sie da.«
»Waren Sie nie eifersüchtig?«
»Nein, nein. Sie hat mich geliebt. Verstehen Sie? Diese Männer hat sie nicht geliebt.« Diane lächelte. »Immer nur mich.«
Anderson hörte wieder ein Klopfen an der Tür des Untersuchungsraums, und diesmal kam Gillian Browne in Freizeitkleidung herein. Ihr Gesicht sah schlimmer aus als je
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