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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hereinbekommen.«
    Gaunt lächelte. Seine Zähne waren schief und sahen ziemlich gelb aus in dem trüben Licht, aber Brian empfand das Lächeln trotzdem als bezaubernd, und wieder fühlte er sich fast gezwungen, es zu erwidern. »So ist es«, sagte Leland Gaunt. »Der Großteil meiner Ware, wie du es nennst, trifft erst heute abend ein. Aber ich habe schon jetzt ein paar interessante Dinge anzubieten. Schau dich um, junger Mann. Ich würde gern zumindest deine Meinung hören – und ich nehme an, du hast eine Mutter? Natürlich hast du eine. Ein netter junger Mann wie du ist bestimmt keine Waise. Habe ich recht?«
    Brian nickte, noch immer lächelnd. »Ja. Mom ist jetzt zu Hause.« Ein Gedanke kam ihm. »Möchten Sie, daß ich sie herbringe?« Doch schon in dem Moment, in dem die Frage seinen Mund verlassen hatte, bedauerte er sie. Er wollte seine Mutter nicht herbringen. Morgen würde Mr. Leland Gaunt der ganzen Stadt gehören. Morgen würden seine Ma und Myra Evans damit anfangen, ihn zu betatzen, zusammen mit all den anderen Damen von Castle Rock. Brian vermutete, daß Mr. Gaunt Ende des Monats, vielleicht schon sogar Ende der Woche aufgehört haben würde, einen so seltsamen und andersartigen Eindruck zu machen, aber jetzt tat er es, jetzt gehörte er Brian Rusk und Brian Rusk allein, und Brian wollte, daß es so blieb.
    Deshalb war er froh, als Mr. Gaunt eine Hand hob (die Finger waren extrem schlank und extrem lang, und Brian fiel auf, daß Zeige- und Mittelfinger genau gleich lang waren) und den Kopf schüttelte. »Keineswegs«, sagte er. »Das ist genau das, was ich nicht möchte. Sie würde bestimmt eine Freundin mitbringen wollen, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Brian und dachte an Myra.
    »Vielleicht sogar zwei Freundinnen oder drei. Nein, so ist es besser, Brian – ich darf dich doch Brian nennen?«
    »Natürlich«, sagte Brian überzeugt.
    »Danke. Und mich nennst du Mr. Gaunt, weil ich dir an Jahren, wenn auch vielleicht nicht an Weisheit, überlegen bin – einverstanden?«
    »Geht in Ordnung.« Brian wußte nicht recht, was diese Bemerkung von Mr. Gaunt zu bedeuten hatte, aber es machte Spaß, diesen Mann reden zu hören. Und seine Augen waren wirklich toll – Brian konnte kaum den Blick von ihnen abwenden.
    »Ja, so ist es viel besser.« Mr. Gaunt rieb seine langen Hände aneinander, und dabei entstand ein zischendes Geräusch. Das war etwas, worauf Brian gern verzichtet hätte. Wenn Mr. Gaunt auf diese Weise seine Hände aneinander rieb, dann hörte sich das an wie eine Schlange, die aufgeregt ist und sich überlegt, ob sie zubeißen soll. »Du wirst es deiner Mutter erzählen, ihr vielleicht sogar zeigen, was du gekauft hast, wenn du etwas kaufen solltest...«
    Brian überlegte, ob er Mr. Gaunt erzählen sollte, daß sich seine gesamte Barschaft auf grandiose einundneunzig Cents belief, und entschied sich dann dagegen.
    »... und sie wird es ihren Freundinnen erzählen, und die erzählen es dann ihren Freundinnen – verstehst du, Brian? Du wirst eine bessere Reklame für mich sein, als es eine Anzeige in der Lokalzeitung jemals sein könnte. Selbst wenn ich dich dazu anheuern würde, mit Sandwichplakaten durch die Straßen zu laufen, könnte ich nicht mehr erreichen!«
    »Wenn Sie meinen«, pflichtete Brian ihm bei. Er hatte keine Ahnung, was ein Sandwichplakat war, aber er war ganz sicher, daß er nie zulassen würde, daß man ihn mit so etwas herumlaufen sah. »Es würde mir wirklich Spaß machen, mich umzusehen.« Und er war zu höflich, um hinzuzufügen: Auch wenn es kaum etwas zu sehen gibt.
    »Dann sieh dich um!« sagte Mr. Gaunt und deutete auf die Vitrinen. Brian stellte fest, daß er eine lange, rote Samtjacke trug. Er dachte, daß es sich dabei vielleicht um einen Hausrock handeln könnte wie in den Sherlock-Holmes-Geschichten, die er gelesen hatte. Sie sah gut aus. »Fühl dich wie zu Hause, Brian!«
    Brian wanderte langsam zu der der Tür am nächsten stehenden Vitrine. Er warf einen Blick über die Schulter; er war ganz sicher, daß Mr. Gaunt ihm auf Schritt und Tritt folgen würde, aber Mr. Gaunt stand neben der Tür und beobachtete ihn leicht belustigt. Es war fast, als hätte er Brians Gedanken gelesen und herausgefunden, wie sehr es Brian zuwider war, wenn der Besitzer eines Ladens ihm auf Schritt und Tritt folgte, während er sich irgend etwas ansah. Vermutlich hatten die meisten Ladenbesitzer Angst, daß man etwas zerbrechen oder stehlen würde – oder beides.
    »Laß dir

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