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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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seinen Füßen – diese Dinge dauerten in ihm fort, obwohl er (mit einem Gefühl echter Trauer) vermutete, daß sie vergehen würden, wie Träume vergehen.
    »Kennst du die Geschichte von Noah und seiner Arche?« fragte Mr. Gaunt.
    Brian runzelte die Stirn. Er war ziemlich sicher, daß es eine Geschichte aus der Bibel war, aber er neigte dazu, bei der Sonntagspredikt und bei der Bibelstunde am Donnerstag einfach abzuschalten. »War das so etwas wie ein Schiff, das in achtzig Tagen um die Welt segelte?«
    Mr. Gaunt lächelte abermals. »So etwas Ähnliches, Brian. Etwas sehr Ähnliches. Nun, dieser Splitter soll von der Arche Noah stammen. Natürlich kann ich nicht behaupten, daß er wirklich von der Arche Noah stammt, weil die Leute dann denken würden, ich wäre ein Schwindler von der übelsten Sorte. Es dürfte heutzutage rund viertausend Leute auf der Welt geben, die versuchen, Holzstücke zu verkaufen, die angeblich von der Arche Noah stammen – und ungefähr vier hundert tausend, die versuchen, Stücke vom Wahren Kreuz Christi an den Mann zu bringen -, aber ich kann behaupten, daß er mehr als zweitausend Jahre alt ist, weil er mit Hilfe der Radiokarbonmethode datiert worden ist, und ich kann behaupten, daß er aus dem Heiligen Land stammt, obwohl er nicht auf dem Berg Ararat gefunden wurde, sondern auf dem Berg Boram.«
    Das meiste davon rauschte über Brian hinweg, nicht aber der springende Punkt. »Zweitausend Jahre«, stieß er hervor. »Donnerwetter! Sind Sie ganz sicher?«
    »Das bin ich«, sagte Mr. Gaunt. »Ich habe ein Zertifikat vom M. I. T., wo der Splitter datiert worden ist, und das gehört natürlich zu dem Objekt dazu. Aber weißt du, ich persönlich glaube, daß er wirklich von der Arche stammen könnte.« Er betrachtete einen Moment lang nachdenklich den Splitter, dann trafen seine leuchtenden blauen Augen auf die haselnußbraunen von Brian. Sofort stand Brian im Bann dieses Blickes. »Schließlich ist der Boram in Luftlinie nicht einmal siebzehn Kilometer vom Ararat entfernt, und in den zahlreichen Historien der Welt, besonders denjenigen, die über Generationen hinweg mündlich überliefert wurden, bevor irgend jemand sie schließlich zu Papier gebracht hat, sind schon wesentlich größere Fehler unterlaufen als der endgültige Ruheplatz eines Schiffes, selbst eines großen. Habe ich recht?«
    »Ja«, sagte Brian. »Klingt logisch.«
    »Und außerdem – er erzeugt ein merkwürdiges Gefühl, wenn man ihn in der Hand hält. Würdest du das nicht auch sagen?«
    »Wahrhaftig!«
    Mr. Gaunt lächelte, fuhr dem Jungen durchs Haar und brach damit den Bann. »Du gefällst mir, Brian. Ich wünschte, alle meine Kunden wären so zum Staunen bereit wie du. Das Leben wäre wesentlich einfacher für einen bescheidenen Handelsmann wie mich, wenn es in der Welt immer so zuginge.«
    »Wieviel – wieviel würden Sie für so etwas verlangen?« fragte Brian. Er deutete auf den Splitter mit einem Finger, der nicht ganz stetig war. Erst jetzt wurde ihm bewußt, wie tief ihn diese Erfahrung bewegt hatte. Es war gewesen, als hielte man sich eine Muschelschale ans Ohr und hörte das Rauschen des Meeres – aber dreidimensional und in Stereo. Er wünschte sich inbrünstig, daß Mr. Gaunt ihm noch einmal erlauben würde, den Splitter zu halten, vielleicht sogar etwas länger, aber er wußte nicht, wie er ihn darum bitten sollte, und Mr. Gaunt bot es ihm nicht an.
    »Nun ja«, sagte Mr. Gaunt, legte die Fingerspitzen unter dem Kinn zusammen und schaute Brian verschmitzt an. »Bei einem Objekt wie diesem – und bei den meisten der guten Dinge, die ich verkaufe, bei den wirklich interessanten Dingen – hängt das vom Käufer ab. Von dem, was der Käufer dafür zahlen will. Was würdest du zahlen wollen, Brian?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Brian und dachte an die einundneunzig Cents in seiner Tasche, und dann stieß er hervor: »Eine Menge!«
    Mr. Gaunt warf den Kopf zurück und lachte herzlich. Als er das tat, fiel Brian auf, daß er sich in einer Beziehung in dem Mann getäuscht hatte. Als er hereingekommen war, hatte er geglaubt, Mr. Gaunts Haare wären grau. Jetzt sah er, daß sie nur an den Schläfen silbrig waren. Er muß unter einem der Strahler gestanden haben, dachte Brian.
    »Nun, das alles war überaus interessant, Brian, aber ich habe wirklich noch eine Menge zu tun, bevor ich morgen früh um zehn den Laden aufmachen kann, und deshalb...«
    »Natürlich«, sagte Brian, zurückgerissen in die Welt der

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