In einer kleinen Stad
Zeit«, sagte Mr. Gaunt. »Einkaufen ist ein Vergnügen, wenn man sich Zeit lassen kann, und eine Qual in den unteren Körperregionen, wenn man es nicht kann.«
»Sagen Sie, kommen Sie von irgendwo jenseits des Großen Teiches?« fragte Brian. Mr. Gaunts Art, sich auszudrücken, interessierte ihn. Sie erinnerte ihn an den alten Herrn, der Masterpiece Theatre moderierte, das sich seine Mutter gelegentlich ansah, wenn in der Fernsehzeitung stand, es wäre eine Liebesgeschichte.
»Ich«, sagte Mr. Gaunt, »komme aus Akron.«
»Liegt das in England?«
»Das liegt in Ohio«, erklärte Leland Gaunt würdevoll, und dann entblößte er seine kräftigen, unregelmäßigen Zähne zu einem sonnigen Lächeln.
Das kam Brian komisch vor, auf die gleiche Art, wie ihm manchmal der Text in Fernsehshows wie Cheers komisch vorkam. Überhaupt hatte er bei alledem das Gefühl, als wäre er in eine Fernsehshow geraten, eine, die ein wenig mysteriös war, aber nicht eigentlich beängstigend. Er mußte lachen.
Ihm blieben ein paar Sekunden, um sich Sorgen zu machen, ob er unhöflich war (vielleicht deshalb, weil seine Mutter ihm immer vorwarf, er wäre unhöflich, und Brian deshalb überzeugt war, in einem riesigen und fast unsichtbaren Spinnennetz von Benimmregeln zu leben), und dann fiel der hochgewachsene Mann in sein Gelächter ein. Die beiden lachten gemeinsam, und alles in allem konnte Brian sich nicht erinnern, jemals einen so angenehmen Nachmittag wie diesen erlebt zu haben.
»Nur zu, sieh dir alles an«, sagte Mr. Gaunt und schwenkte die Hand. »Über unsere Lebensgeschichten unterhalten wir uns ein andermal.« Also sah sich Brian alles an. In der größten Vitrine, die aussah, als böte sie bequem Platz für zwanzig oder dreißig Objekte, lagen nur fünf Dinge. Das war eine Pfeife. Daneben lag ein Foto von Elvis Presley in seiner weißen Auftrittskluft mit dem Tiger auf dem Rücken und einem roten Halstuch. The King (wie seine Mutter ihn immer nannte) hielt ein Mikrofon an die aufgeworfenen Lippen. Der dritte Gegenstand war eine Polaroidkamera. Der vierte war ein polierter Stein mit einer mit Kristallen gefüllten Aushöhlung in der Mitte. Die Kristalle fingen das Licht des Strahlers ein und blitzten und funkelten. Der fünfte war ein Holzsplitter, ungefähr so dick und lang wie einer von Brians Zeigefingern.
Er deutete auf den Stein. »Das ist eine Druse, nicht wahr?«
»So ist es. Du bist ein gebildeter junger Mann, Brian. Ich habe kleine Etiketten für die meisten meiner Objekte, aber sie sind noch nicht ausgepackt – wie der größte Teil meiner Ware. Ich werde arbeiten müssen wie der Teufel, wenn ich bis zur Eröffnung morgen früh fertig sein will.« Aber er schien sich deshalb keinerlei Sorgen zu machen und in aller Ruhe da stehenbleiben zu wollen, wo er stand.
»Was ist das?« fragte Brian und deutete auf den Splitter. Er dachte bei sich, daß dies ein überaus merkwürdiges Stück Ware für einen kleinen, ländlichen Laden war. Er hatte vom ersten Augenblick an eine starke Zuneigung zu Leland Gaunt gefaßt, aber wenn der Rest seiner Ware von dieser Art war, dann würde er, davon war Brian überzeugt, in Castle Rock nicht lange Geschäfte machen. Wenn man Dinge verkaufen wollte wie Pfeifen und Fotos von The King und Holzsplitter, dann war New York der Ort, in dem man seine Geschäfte eröffnete – zumindest glaubte er das anhand der Filme, die er gesehen hatte.
»Ah!« sagte Mr. Gaunt. » Das ist ein wirklich interessantes Stück! Ich will es dir zeigen.«
Er durchquerte den Raum, ging um die Vitrine herum, zog ein dickes Schlüsselbund aus der Tasche und wählte, fast ohne hinzuschauen, einen Schlüssel aus. Er hob den Deckel und nahm den Splitter vorsichtig heraus. »Streck die Hand aus, Brian.«
»Das sollte ich lieber nicht tun«, sagte Brian. Als Einheimischer in einem Staat, in dem der Tourismus einer der wichtigen Wirtschaftszweige ist, war er im Laufe der Zeit in einer ganzen Reihe von Geschenkartikelläden gewesen, und er hatte eine Menge Plakate gesehen, auf denen dieses kleine Gedicht stand: »Hübsch anzusehen / und angenehm zu halten, / aber wer es zerbricht, / der muß es behalten.« Er konnte sich vorstellen, wie seine Mutter reagieren würde, wenn er den Splitter – oder was immer das war – zerbrach und Mr. Gaunt, nun nicht mehr zu freundlich, ihm mitteilte, daß sich der Preis auf fünfhundert Dollar belief.
»Warum nicht?« fragte Mr. Gaunt und hob die Augenbrauen – aber es war im
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