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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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haben sollte – das wird er natürlich nicht, aber nehmen wir einmal an, rein theoretisch, daß das der Fall wäre -, wessen Schuld wäre das dann?
    »Alans«, flüsterte sie. Ihre Augen rollten nervös in ihren Höhlen, und ihre Hände öffneten und schlossen sich nervös zwischen ihren Brüsten. »Wenn er hier wäre und ich mit ihm reden könnte – wenn er sich nicht von mir gelöst hätte, indem er in Dingen herumschnüffelte, die ihn nichts angehen...«
    Die kleine Stimme versuchte, sich wieder zu melden, aber Leland Gaunt schnitt sie ab, bevor sie ein Wort sprechen konnte.
    Abermals richtig, sagte Gaunt. Und was die Frage angeht, was Sie hier tun, Polly, so ist die Antwort einfach genug: Sie bezahlen. Das ist es, was Sie tun, und das ist alles, was Sie tun. Gespenster haben damit nichts zu schaffen. Und etwas dürfen Sie nicht vergessen, weil es der simpelste und wunderbarste Aspekt jedes Handels ist: sobald ein Gegenstand bezahlt ist, gehört er Ihnen. Sie haben doch nicht erwartet, daf3 ein so wundervoller Gegenstand billig sein könnte, oder? Aber wenn Sie mit dem Bezahlen fertig sind, gehört er Ihnen. Sie haben einen eindeutigen Anspruch auf den Gegenstand, für den Sie bezahlt haben. Und wollen Sie den ganzen Tag hier stehenbleiben und diesen alten, ängstlichen Stimmen lauschen, oder wollen Sie tun, weshalb Sie hergekommen sind?
    Polly öffnete die Augen wieder. Das azka hing reglos an seiner Kette. Wenn es sich bewegt hatte – und sie war nicht mehr sicher, ob das wirklich der Fall gewesen war -, so hatte es jetzt damit aufgehört. Das Haus war nichts als ein Haus, das zu lange leergestanden hatte und die unvermeidlichen Anzeichen der Verwahrlosung aufwies. Die Fenster waren keine Augen, sondern einfache Löcher, glaslos gemacht von unternehmungslustigen Jungen mit Steinen. Wenn sie in der Scheune etwas gehört hatte – und sie war nicht mehr sicher, ob das wirklich der Fall gewesen war -, so war es nur das Knarren eines Brettes gewesen, das sich in der gewöhnlichen Oktoberwärme gedehnt hatte.
    Ihre Eltern waren tot. Ihr süßer kleiner Junge war tot. Und der Hund, der während dreier Sommertage und -nächte so grauenhaft und vollständig diesen Hof beherrscht hatte, war tot.
    Es gab keine Gespenster.
    »Nicht einmal mich«, sagte sie und machte sich auf den Weg um die Scheune herum.

3
     
    Wenn Sie zur Rückseite der Scheune gehen, hatte Mr. Gaunt gesagt, sehen Sie die Überreste eines alten Wohnwagens . Sie sah ihn: einen Air-Flow mit silbrigen Seiten, fast überwuchert von Goldrute und einem hohen Gestrüpp aus späten Sonnenblumen.
    Neben dem hinteren linken Ende des Wohnwagens werden Sie einen großen, flachen Stein finden.
    Sie fand ihn mühelos. Er war ungefähr so groß wie eine Gartenwegplatte.
    Räumen Sie den Stein beiseite und graben Sie. In gut einem halben Meter Tiefe werden Sie eine Crisco-Dose finden.
    Sie räumte den Stein beiseite und grub. Kaum fünf Minuten später klirrte das Blatt der Schaufel gegen die Dose. Sie legte die Schaufel beiseite und grub mit den Fingern in der lockeren Erde, zerriß mit den Fingern das leichte Netzwerk aus Wurzeln. Dann hielt sie die Crisco-Dose in den Händen. Sie war rostig, aber noch heil. Das verrottende Etikett löste sich, und sie sah auf der Rückseite ein Rezept für eine Ananas-Überraschungstorte (eine schwarze Schimmelstelle machte die Liste der Zutaten fast unleserlich) zusammen mit einem Bisquick-Gutschein, der 1969 ungültig geworden war. Sie schob die Finger unter den Deckel der Dose und hebelte ihn ab. Die Luft, die aus ihr entwich, ließ sie zusammenfahren und bewirkte, daß sie für einen Moment den Kopf zurückzog. Die Stimme versuchte zum letzten Mal, sie zu fragen, was sie hier tat. Polly schloß sie aus.
    Sie schaute in die Dose und sah, wovon Mr. Gaunt ihr gesagt hatte, daß sie es sehen würde: ein Bündel von Gold Bond-Rabattmarken und mehrere verblichene Fotos einer Frau, die mit einem Collie Geschlechtsverkehr hatte.
    Sie holte diese Dinge heraus, stopfte sie in ihre Hüfttasche und wischte sich dann die Finger am Bein ihrer Jeans ab. Sie würde sich die Hände waschen, sobald sie konnte, versprach sie sich selbst. Das Anfassen dieser Dinge, die so lange in der Erde gelegen hatten, löste in ihr ein Gefühl von Unsauberkeit aus.
    Aus ihrer anderen Tasche holte sie einen verschlossenen Briefumschlag, auf dem in Großbuchstaben stand:
    EINE NACHRICHT FÜR DEN UNERSCHROCKENEN SCHATZSUCHER
    Polly legte den Umschlag in die

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