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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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an denen Donna Trenton hier um ihr Leben gekämpft hatte und um das Leben ihres Sohnes.
    Was tue ich hier? dachte Polly. Was um Himmels willen tue ich hier ?
    Aber sie wußte es, und es hatte nichts zu schaffen mit Alan Pangborn oder Kelton oder dem San Francisco Department of Child Welfare. Bei dieser kleinen Exkursion ging es nicht um Liebe. Es ging um Schmerzen. Das war alles – aber es war genug.
    Irgend etwas steckte in dem kleinen silbernen Amulett. Etwas, das lebendig war. Wenn sie ihren Teil des Handels, den sie mit Leland Gaunt abgeschlossen hatte, nicht erfüllte, würde es sterben. Sie wußte nicht, ob sie es ertragen würde, wieder zurückzutaumeln in die grauenhaften, mahlenden Schmerzen, mit denen sie am Sonntagmorgen aufgewacht war. Wenn ihr ein Leben unter solchen Schmerzen bevorstand, würde sie sich wahrscheinlich umbringen.
    »Und es ist nicht Alan«, flüsterte sie, als sie auf die Scheune mit ihrer leeren Toröffnung und dem gefährlich eingesunkenen Dach zuging. »Er hat gesagt, er würde niemals die Hand gegen ihn erheben.«
    Weshalb kümmert dich das überhaupt? fragte diese lästige Stimme.
    Es kümmerte sie, weil sie Alan nicht weh tun wollte. Sie war wütend auf ihn – sogar sehr wütend -, aber das bedeutete nicht, daß sie auf seine Ebene herabsteigen mußte, daß sie ihn so schäbig behandeln mußte, wie er sie behandelt hatte.
    Aber, Polly – hast du gedacht...
    Nein. Nein!
    Sie würde Ace Merrill einen Streich spielen, und Ace kümmerte sie nicht im geringsten – sie war ihm nie begegnet, wußte nur, in welchem Ruf er stand. Der Streich galt Ace, aber...
    Aber Alan, der Ace ins Gefängnis von Shawshank gebracht hatte, kam irgendwie mit ins Spiel. Das sagte ihr ihr Herz.
    Und konnte sie einen Rückzieher machen? Konnte sie es, selbst wenn sie es gewollt hätte? Jetzt ging es auch um Kelton. Mr. Gaunt hatte nicht direkt gesagt, daß das, was mit ihrem Sohn passiert war, bald die Runde durch die ganze Stadt machen würde, wenn sie nicht tat, was er von ihr verlangte – aber er hatte es angedeutet. Sie würde es nicht ertragen können, wenn das passierte.
    Aber hat eine Frau denn nicht Anspruch auf ihren Stolz? Wenn alles andere verloren ist, hat sie dann nicht zumindest Anspruch auf ihn, die Münze, ohne die ihr Geldbeutel völlig leer sein würde?
    Ja. Und ja. Und ja.
    Mr. Gaunt hatte ihr gesagt, sie würde das einzige Werkzeug, das sie brauchte, in der Scheune finden.
    Tu, wonach dein Herz gelüstet. Aber tu es als lebendiger Mensch, Trisha , hatte Tante Ewie zu ihr gesagt. Sei kein Ges penst.
    Aber jetzt, wo sie durch das offenstehende und in seinen Schienen eingerostete Scheunentor ging, hatte sie das Gefühl, ein Gespenst zu sein. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich mehr als Gespenst gefühlt. Das azka bewegte sich zwischen ihren Brüsten – von sich aus. Irgend etwas war darin. Etwas Lebendiges. Es gefiel ihr nicht, aber die Vorstellung, was passieren würde, wenn das Ding starb, gefiel ihr noch weniger.
    Sie würde tun, was Mr. Gaunt ihr aufgetragen hatte, jedenfalls dieses eine Mal. Und sie würde alle Verbindungen zu Alan Pangborn abbrechen (es war ein Fehler gewesen, überhaupt etwas mit ihm anzufangen, das sah sie jetzt, sah es ganz deutlich) und ihre Vergangenheit für sich behalten. Warum nicht?
    Schließlich war es nur eine kleine Sache.

2
     
    Die Schaufel war genau da, wo sie sein sollte. Sie lehnte in einem staubigen Strahl Sonnenlicht an einer Wand. Polly ergriff den glatten, abgenutzten Stiel.
    Plötzlich war ihr, als hörte sie aus den tiefen Schatten der Scheune ein leises Grollen, als wäre der tollwütige Bernhardiner, der Big George Bannermann umgebracht und den Tod von Tad Trenton verursacht hatte, immer noch da, zurück aus dem Reich der Toten und niederträchtiger als je zuvor. Auf ihren Armen kribbelte eine Gänsehaut, und Polly verließ eilends die Scheune. Auch der Hof war nicht gerade ein angenehmer Ort – gleich vor dem leerstehenden Haus, das sie finster anstarrte -, aber er war immer noch besser als die Scheune.
    Was tue ich hier? fragte ihr Verstand abermals, wehmütig, und es war Tante Ewies Stimme, die eine Antwort lieferte: Du wirst zum Gespenst. Das ist es, was du tust. Wirst zum Gespenst.
    Polly kniff die Augen zusammen. »Hör auf!« flüsterte sie inbrünstig. »Hör endlich auf!«
    So ist’s richtig, sagte Leland Gaunt. Außerdem – wozu die ganze Aufregung? Es ist doch ein harmloser kleiner Streich. Und wenn er irgendwelche Folgen

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