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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unterste Schreibtischschublade enthielt seine Privatapotheke. Er zog sie auf, wühlte darin, brachte ein Riesenglas mit erdbeerfarbenem Kaopektat zum Vorschein, starrte einen Moment auf das Etikett, schüttelte den Kopf, verstaute es wieder in der Schublade und wühlte weiter. Schließlich hatte er ein Glas mit einem Aspirinpräparat gefunden.
    »Ich habe einen kleinen Job für Sie«, sagte Alan, nahm das Glas und ließ zwei Aspirin in seine Hand fallen. Zusammen mit den Tabletten fiel eine Menge weißer Staub heraus, und Alan fragte sich unwillkürlich, weshalb Aspirinpräparate immer mehr Staub erzeugten als der Markenartikel Aspirin. Er fragte sich außerdem, ob er vielleicht den Verstand verlor.
    »Hören Sie, Alan, ich muß noch zwei von diesen E-9-Mist-dingern schreiben, und...«
    »Kein Grund zur Aufregung.« Alan trat an den Wasserkühler und zog einen Pappbecher aus dem Zylinder an der Wand. Der Wasserkühler gluckerte, als er den Becher füllte. »Sie brauchen nur das Zimmer zu durchqueren und die Tür zu öffnen, durch die ich eben hereingekommen bin. So einfach, daß selbst ein Kind es fertigbrächte, stimmt’s?«
    »Was...«
    »Sie dürfen nur nicht vergessen, Ihren Strafzettelblock mitzunehmen«, sagte Alan und spülte das Aspirin hinunter.
    Auf Norris Ridgewicks Gesicht erschien ein betroffener Ausdruck. »Ihr Block liegt doch hier auf dem Schreibtisch, gleich neben Ihrer Aktentasche.«
    »Ich weiß. Und da bleibt er auch, jedenfalls heute abend.«
    Norris musterte ihn eine ganze Weile. Schließlich fragte er: »Buster?«
    Alan nickte. »Buster. Er parkt wieder einmal auf dem Behindertenplatz. Das letzte Mal habe ich ihm gesagt, daß ich ihm das in Zukunft nicht mehr durchgehen lasse.«
    Der Vorsitzende des Stadtrates von Castle Rock, Danforth Keeton III, hieß bei allen Leuten, die ihn kannten, Buster – aber alle städtischen Angestellten, die ihren Job behalten wollten, achteten peinlich genau darauf, daß sie ihn, wenn er zugegen war, nur Danforth oder Mr. Keeton nannten. Nur Alan, der ein gewählter Beamter war, wagte es, ihn mit Buster anzureden; auch das hatte er nur zweimal getan, als er sehr wütend gewesen war. Aber vermutlich würde er es wieder tun, denn Dan »Buster« Keeton war ein Mann, über den man, wie Alan Pangborn fand, sehr leicht in Wut geraten konnte.
    »Also los!« sagte Norris. »Sie tun es, Alan, okay?«
    »Ich kann nicht. Nächste Woche findet die Sitzung des Stadtrates statt, auf der über die Zuteilung von Geldern entschieden wird.«
    »Er haßt mich schon jetzt«, sagte Norris bedrückt. »Das weiß ich.«
    »Buster haßt alle Leute außer seiner Frau und seiner Mutter«, sagte Alan, »und was seine Frau betrifft, bin ich da nicht einmal sicher. Aber die Tatsache bleibt bestehen, daß ich ihn im Laufe des letzten Monats mindestens ein halbdutzendmal darauf hingewiesen habe, daß er seinen Wagen nicht auf unserem einzigen Behindertenparkplatz abstellen darf, und ich finde, daß damit jetzt endlich Schluß sein muß.«
    »Und ich könnte mir denken, daß dann mit meinem Job Schluß ist. Das ist wirklich übel, Alan, ganz im Ernst.« Norris Ridgewick sah aus wie eine Reklame für When Bad Things Happen to Good People.
    »Regen Sie sich ab«, sagte Alan. »Sie klemmen einen Fünf-Dollar-Strafzettel hinter seinen Scheibenwischer. Er kommt zu mir und fordert mich als erstes auf, Sie vor die Tür zu setzen.«
    Norris stöhnte.
    »Ich weigere mich. Dann fordert er mich auf, den Strafzettel zu zerreißen. Auch das lehne ich ab. Dann, morgen nachmittag, wenn er Gelegenheit gehabt hat, deshalb eine Weile zu schäumen, gebe ich nach. Und wenn ich an der nächsten Sitzung des Stadtrates teilnehme, ist er mir eine Gefälligkeit schuldig.«
    »Alles schön und gut, aber was ist er mir schuldig?«
    »Norris, wollen Sie ein neues Impuls-Radargerät oder nicht?«
    »Also...«
    »Und was ist mit einem Faxgerät? Davon reden wir schon seit mindestens zwei Jahren.«
    Ja!« rief die Stimme in seinem Kopf mit ihrer falschen Fröhlichkeit. Du hast angefangen, davon zu reden, als Annie und Todd noch lebten! Weißt du das noch, Alan? Erinnerst du dich, wie es war, als sie noch lebten?
    »Dann muß ich wohl«, sagte Norris. Er griff nach seinem Strafzettelblock mit einem Gesicht, auf dem mit Großbuchstaben Traurigkeit und Resignation geschrieben waren.
    »Guter Mann«, sagte Alan mit einer Herzlichkeit, die er nicht empfand. »Ich bin noch eine Weile in meinem Büro.«

3
     
    Er schloß die Tür

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