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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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erschüttern.

3
     
    Fünf Minuten später verließ Buster sein Haus. Er hatte ein leichtes Jackett über sein T-Shirt gezogen und die Hand mit der noch immer daranhängenden Handschelle in eine der Taschen geschoben. Ein Stück weiter die Straße hinunter fand er einen am Bordstein geparkten Transporter, und zwar genau da, wo Mr. Gaunt gesagt hatte, daß er ihn finden würde. Er war leuchtend gelb, eine Garantie dafür, daß die meisten Passanten auf die Farbe schauen würden anstatt auf den Fahrer. Er war fast fensterlos und trug auf beiden Seiten die Aufschrift eines Fernsehsenders in Portland.
    Buster warf einen schnellen, aber prüfenden Blick in beide Richtungen, dann stieg er ein. Mr. Gaunt hatte ihm gesagt, die Schlüssel lägen unter dem Sitz. Sie lagen dort. Auf dem Beifahrersitz stand ein papierener Einkaufsbeutel. In ihm fand Buster eine blonde Perücke, eine Yuppie-Sonnenbrille mit Drahtgestell und eine kleine Glasflasche.
    Er setzte die Perücke mit einigem Unbehagen auf – sie war lang und zottig und sah aus wie der Skalp eines toten Rocksängers -, aber als er sich im Rückspiegel des Transporters betrachtete, war er verblüfft, wie gut sie ihm stand. Sie ließ ihn jünger aussehen. Viel jünger. Die Yuppie-Sonnenbrille hatte Gläser aus einfachem Fensterglas, aber sie veränderte sein Aussehen (zumindest kam es Buster so vor) sogar noch mehr als die Perücke. Sie bewirkte, daß er smart aussah – wie Harrison Ford in The Mosquito Coast. Er betrachtete sich fasziniert. Plötzlich sah er aus wie ein Mann in den Dreißigern anstatt wie einer von zweiundfünfzig, ein Mann, von dem man sich durchaus vorstellen konnte, daß er für einen Fernsehsender arbeitete. Nicht als Korrespondent, das wäre übertrieben gewesen, aber vielleicht als Kameramann oder sogar als Produzent.
    Er schraubte den Deckel der Flasche ab und verzog das Gesicht – das Zeug darin roch wie eine schmelzende Traktorbatterie. Rauchfäden stiegen aus der Flasche auf. Muß vorsichtig sein mit diesem Zeug , dachte Buster. Ganz, ganz vorsichtig...
    Er steckte die leere Handschelle unter seinen rechten Oberschenkel und zog die Kette straff. Dann goß er etwas vom Inhalt der Flasche gleich unterhalb der Handschelle an seinem Handgelenk auf die Kette, wobei er sorgsam darauf achtete, nichts von der dunklen, zähen Flüssigkeit auf die Haut zu bekommen. Sofort begann der Stahl zu rauchen und zu brodeln. Ein paar Tropfen fielen auf die Gummi-Fußmatte, und auch sie begann zu brodeln. Qualm und ein widerlicher Brandgeruch stiegen von ihr auf. Nach ein paar Augenblicken zog Buster die leere Handschelle unter seinem Schenkel hervor, hakte seine Finger hinein und ruckte kräftig. Die Kette riß wie Papier, und er warf sie auf den Boden. Zwar trug er noch immer ein Armband, aber damit konnte er leben; die wahre Pest waren die Kette und die an ihr baumelnde leere Handschelle gewesen. Er schob den Zündschlüssel ins Schloß, ließ den Motor an und fuhr davon.
    Keine drei Minuten später bog ein von Seaton Thomas gefahrener Streifenwagen des Sheriffbüros von Castle County in die Einfahrt von Keetons Haus ein, und der alte Seat entdeckte Myrtle Keeton, die auf der Schwelle zwischen der Küche und der Garage lag. Wenig später erschienen vier Fahrzeuge der Staatspolizei. Die Beamten stellten das ganze Haus auf den Kopf, suchten nach Buster oder irgendwelchen Anzeichen dafür, wohin er verschwunden sein mochte. Niemand verschwendete einen zweiten Blick auf das Spiel auf seinem Schreibtisch. Es war alt, schmutzig und offensichtlich defekt. Es sah aus wie etwas, das vom Dachboden eines armen Verwandten stammen mochte.

4
     
    Eddie Warburton, der Hausmeister im Gebäude der Stadtverwaltung, hegte seit mehr als zwei Jahren einen Groll auf Sonny Jackett. Im Laufe der letzten paar Tage hatte sich dieser Groll in rotglühende Wut verwandelt.
    Als im Sommer 1989 das Getriebe von Eddies hübschem kleinem Honda Civic ausgefallen war, hatte Eddie den Wagen nicht in die nächste Honda-Vertragswerkstatt bringen wollen, weil das hohe Abschleppkosten verursacht hätte. Sein Pech war, daß der Schaden drei Wochen nach Ablauf der Garantiezeit eingetreten war. Also war er zuerst zu Sonny Jackett gegangen und hatte ihn gefragt, ob er Erfahrungen im Umgang mit ausländischen Wagen hätte.
    Sonny erklärte, die hätte er. Er sprach in jener herablassenden, gönnerhaften Art, in der die meisten Hinterwäldler-Yankees mit Eddie redeten. Wir haben keine Vorurteile, Junge,

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