Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
wie zwei Krabbelkäfer in einem Teppich.«
    Das Entsetzen verwandelte sich in Wut, und Coras Lähmung brach mit einem Knall. Sie stürzte auf ihre sogenannte Freundin los, wollte ihr die hinterhältigen Augen aus den Höhlen reißen. Doch als sie die Hand hob, um das zu tun, griff Myra zu – ohne dabei mit dem Pumpen ihrer Hüften innezuhalten – und riß Cora die Sonnenbrille aus dem Gesicht.
    Cora hatte vor Überraschung die Augen zusammengekniffen – und als sie sie wieder öffnete, lag sie wieder auf ihrem eigenen Bett. Die Sonnenbrille lag auf dem Fußboden, und beide Gläser waren zerbrochen.
    » Nein «, stöhnte Cora und taumelte vom Bett herunter. Sie wollte schreien, aber eine innere Stimme – nicht ihre eigene – warnte sie. Wenn sie es tat, würden die Polizisten in der Garage sie hören und angerannt kommen. »Nein, bitte nicht, bitte, bitte ...«
    Sie versuchte, Stücke der zerbrochenen Gläser wieder in das stromlinienförmige Goldgestell einzusetzen, aber es gelang ihr nicht. Sie waren zerbrochen. Zerbrochen von dieser gemeinen, hurenden Schlampe. Zerbrochen von ihrer Freundin Myra Evans. Ihrer Freundin, die irgendwo ihren eigenen Weg nach Graceland gefunden hatte, ihrer Freundin, die sich gerade jetzt, da Cora versuchte, einen unbezahlbaren Gegenstand, der unwiederbringlich zerbrochen war, wieder zusammenzufügen, mit The King im Bett vergnügte.
    Cora schaute auf. Ihre Augen waren zu funkelnden, schwarzen Schlitzen geworden. »Ich werde sie fassen«, hatte sie heiser geflüstert. »Das wollen wir doch sehen.«

6
     
    Sie las das Schild im Fenster von Needful Things, blieb einen Augenblick lang nachdenklich stehen, dann ging sie um die Ecke herum in die Lieferantengasse. Sie wäre fast mit Francine Pelletier zusammengestoßen, die ihr aus der Gasse entgegenkam und etwas in ihre Handtasche steckte. Cora schaute sie kaum an.
    Ungefähr auf halber Höhe der Gasse sah sie Mr. Gaunt hinter einem Holztisch stehen, der die offene Hintertür seines Ladens versperrte wie eine Barrikade.
    »Ah, Cora«, rief er. »Ich hatte mich schon gefragt, wann Sie vorbeikommen würden.«
    »Dieses Miststück!« spie Cora. »Diese hinterhältige kleine Schlampe von einem Miststück!«
    »Ich bitte um Verzeihung, Cora«, sagte Mr. Gaunt mit verbindlicher Höflichkeit, »aber Sie haben offenbar vergessen, den einen oder anderen Knopf zu schließen.« Er zeigte mit einem seiner merkwürdigen langen Finger auf das Vorderteil ihres Kleides.
    Cora hatte das Erstbeste, was sie in ihrem Kleiderschrank gefunden hatte, über ihre Nacktheit gezogen, und sie hatte es gerade geschafft, den obersten Knopf zuzumachen. Unter diesem Knopf klaffte das Kleid auf und ließ ihr Schamhaar sehen, und ihr Bauch, angeschwollen von zahllosen Ring-Dings, Yodels und mit Schokolade überzogenen Kirschen bei Santa Barbara (und anderen Fernsehserien) quoll glatt und weißlich heraus.
    »Wen kümmert das einen Scheißdreck?« fauchte Cora.
    »Mich nicht«, erklärte Mr. Gaunt gelassen. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Dieses Miststück vögelt The King. Sie hat meine Sonnenbrille zerbrochen. Ich will sie umbringen.«
    »Wirklich?« sagte Mr. Gaunt und hob die Brauen. »Nun, ich will nicht behaupten, daß ich Ihnen das nicht nachfühlen kann, Cora, denn das tue ich. Es kann sein, daß eine Frau, die einer anderen Frau den Mann stiehlt, es trotzdem verdient, weiterzuleben. In dieser Hinsicht möchte ich keine Meinung äußern – ich war zeit meines Lebens Geschäftsmann, und über Herzensangelegenheiten weiß ich nicht sonderlich viel. Aber eine Frau, die mit voller Absicht den kostbarsten Besitz einer anderen Frau zerbricht – nun, das ist eine wesentlich ernstere Angelegenheit. Finden Sie nicht auch?«
    Sie begann zu lächeln. Es war ein hartes Lächeln. Es war ein erbarmungsloses Lächeln. Es war ein wahnsinniges Lächeln. »Da haben Sie verdammt recht«, sagte Cora Rusk.
    Mr. Gaunt wendete sich für einen Augenblick ab. Als er sich wieder zu Cora umdrehte, hatte er eine automatische Pistole in der Hand.
    »Sind Sie vielleicht auf der Suche nach so etwas?« fragte er.

Zwanzigstes Kapitel
     

1
     
    Nachdem Buster Myrtle erschlagen hatte, versank er in einen tiefen Dämmerzustand. Der letzte Rest von Entschlußkraft schien ihn verlassen zu haben. Er dachte an SIE – die ganze Stadt wimmelte von IHNEN -, aber anstelle der klaren, selbstgerechten Wut, die diese Vorstellung noch Minuten zuvor in ihm ausgelöst hatte, empfand er nur Mattigkeit und

Weitere Kostenlose Bücher