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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Niedergeschlagenheit. Er hatte dröhnende Kopfschmerzen, und sein Arm und sein Rücken schmerzten vom Schwingen des Hammers.
    Es sah an sich herunter und stellte fest, daß er ihn immer noch umkrampfte. Er öffnete die Hand, und der Hammer fiel auf das Linoleum des Küchenfußbodens und erzeugte dort einen blutigen Spritzer. Fast eine Minute lang stand er da und starrte mit einer Art idiotischer Faszination auf diesen Spritzer, der ihm vorkam wie eine mit Blut gezeichnete Porträtskizze seines Vaters.
    Er trottete durchs Wohnzimmer in sein Arbeitszimmer und rieb sich im Gehen Schulter und Oberarm. Die Handschellenkette klirrte aufreizend. Er öffnete die Schranktür, ließ sich auf die Knie fallen, kroch zwischen die dort hängenden Kleidungsstücke und grub die Schachtel mit den Trabern auf dem Deckel aus. Dann wich er ungeschickt aus dem Schrank zurück (die Handschelle verhakte sich in einem von Myrtles Schuhen, und er warf ihn, verdrossen fluchend, wieder hinein), nahm die Schachtel mit zu seinem Schreibtisch, stellte sie darauf und setzte sich. Anstelle von Begeisterung empfand er nur Traurigkeit. Winning Ticket war wundervoll, aber was konnte es ihm jetzt noch nützen? Es spielte keine Rolle, ob er das Geld zurückzahlte oder nicht. Er hatte seine Frau umgebracht. Sie hatte es zweifellos verdient, aber SIE würden es nicht so sehen. SIE würden ihn mit größtem Vergnügen in die tiefste, dunkelste Zelle im Gefängnis von Shawshank stecken, die sie finden konnten, und dann den Schlüssel wegwerfen.
    Er bemerkte, daß er auf dem Deckel der Schachtel große Blutflecken hinterlassen hatte, und sah abermals an sich herunter. Zum ersten Mal fiel ihm auf, daß er voller Blut war. Seine fleischigen Unterarme sahen aus wie die eines Chicagoer Schweineschlachters. Die Depression legte sich über ihn wie eine weiche, schwarze Welle. SIE hatten ihn geschlagen – okay. Aber er würde IHNEN entkommen. Er würde IHNEN dennoch entkommen.
    Er stand auf, zutiefst erschöpft, und trottete langsam nach oben. Er zog sich im Gehen aus, streifte im Wohnzimmer seine Schuhe ab, ließ am Fuß der Treppe seine Hose fallen und setzte sich dann auf halber Höhe auf eine Stufe, um sich seiner Socken zu entledigen. Sogar sie waren blutig. Die meiste Mühe hatte er mit dem Hemd; wenn man eine Handschelle trug, war das Ausziehen eines Hemdes eine Hundearbeit.
    Fast zwanzig Minuten vergingen zwischen dem Mord an Mrs. Keeton und Busters mühseligem Marsch zur Dusche und wieder heraus. In dieser Zeit hätte man ihn in jedem Augenblick mühelos festnehmen können – aber auf der Lower Main Street ging eine Übergabe der Amtsgeschäfte vor sich, im Sheriffbüro herrschte das totale Chaos, und zu wissen, wo Danforth >Buster< Keeton sich aufhielt, schien einfach nicht sonderlich wichtig zu sein.
    Nachdem er sich abgetrocknet hatte, zog er saubere Jeans an und ein T-Shirt – er hatte nicht die Energie, sich noch einmal mit langen Ärmeln abzumühen – und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück. Er setzte sich auf seinen Stuhl und betrachtete abermals das Winning Ticket und hoffte, daß sich seine Depression als vorübergehender Zustand erweisen und daß etwas von seiner früheren Beglückung zurückkehren würde. Aber das Bild auf dem Deckel wirkte fade und verblichen. Der hellste Farbton darauf war ein Schmierer von Myrtles Blut quer über die Flanken der beiden Pferde.
    Er nahm den Deckel ab, schaute hinein und stellte bestürzt fest, daß sich die kleinen Blechpferde krumm und verbogen zur Seite neigten. Auch ihre Farben waren verblichen. Aus dem Loch, in das man den Schlüssel zum Aufziehen der Maschinerie steckte, ragte das Ende einer gebrochenen Feder heraus.
    Irgend jemand ist hier gewesen! schrie sein Verstand. Jemand hat sich daran zu schaffen gemacht. Einer von IHNEN! Mich zu ruinieren hat IHNEN nicht genügt. SIE mußten auch noch mein Spiel ruinieren!
    Doch eine andere Stimme, vielleicht die verklingende Stimme seiner geistigen Gesundheit, flüsterte ihm zu, daß das nicht stimmte. So war es von Anfang an, flüsterte die Stimme. Du hast es nur nicht gesehen.
    Er kehrte zu seinem Schrank zurück, hatte vor, doch noch seine Waffe herauszuholen. Es war an der Zeit, sie zu benutzen. Er tastete danach, als das Telefon läutete. Buster nahm ganz langsam den Hörer ab; er wußte, wer am anderen Ende der Leitung war.
    Und er wurde nicht enttäuscht.

2
     
    »Hallo, Dan«, sagte Mr. Gaunt. »Wie fühlen Sie sich an diesem schönen

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