In einer kleinen Stad
wiederzukommen und mir noch mehr davon anzusehen.‹ Ich glaube, so viel auf einmal hat sie in den letzten vier Jahren nicht geredet. Und deshalb sagte ich: >War das nicht nett von ihm, Nettie?< Und sie sagte: >Ja, und wissen Sie, was?< Natürlich fragte ich, was ich wissen sollte, und Nettie sagte: › Und vielleicht tue ich es sogar!‹ «
Alan lachte laut und herzlich. »Wenn Nettie willens ist, ihn ohne eine Duenna zu besuchen, dann muß ich ihn überprüfen. Er scheint wirklich ein Charmeur zu sein.«
»Nun, es ist merkwürdig – er ist kein gut aussehender Mann, jedenfalls nicht auf die Art eines Kinostars, aber er hat wundervolle braune Augen. Sie lassen sein ganzes Gesicht aufleuchten.«
»Sieh dich vor, Lady«, grollte Alan. »Meine Eifersucht fängt an, sich zu regen.«
Sie lachte ein wenig. »Ich glaube nicht, daß du dir Sorgen zu machen brauchst. Aber da ist noch etwas.«
»Und zwar?«
»Rosalie sagte, Wilma Jerzyck wäre hereingekommen, während Nettie dort war.«
»Ist irgend etwas passiert? Wurden Worte gewechselt?«
»Nein. Nettie starrte die Jerzyck an, und die kräuselte ver-ächtlich die Lippen – so drückte Rosalie es aus -, und dann huschte Nettie hinaus. Hat Wilma Jerzyck in letzter Zeit wieder wegen Netties Hund angerufen?«
»Nein«, sagte Alan. »Dazu bestand kein Grund. Ich bin im Laufe der letzten sechs Wochen an einem halben Dutzend Abenden an Netties Haus vorbeigefahren. Der Hund bellt nicht mehr. Es war nicht mehr als ein bißchen Welpengekläff. Jetzt ist er ein wenig erwachsener geworden, und er hat eine gute Herrin. Die Möblierung in Netties Oberstübchen mag ein bißchen dürftig sein, aber was den Hund angeht, hat sie ihre Pflicht getan – wie nennt sie ihn?«
»Raider.«
»Nun, Wilma Jerzyck wird sich etwas anderes suchen müssen, auf dem sie herumhacken kann; Raider gibt nichts mehr her. Aber das wird sie tun. Das tun Frauen wie Wilma immer. Und im Grunde war es ohnehin nicht der Hund. Wilma war die einzige Person in der ganzen Nachbarschaft, die sich beklagt hat. Es war Nettie. Leute wie Wilma haben eine Nase für Schwäche. Und an Nettie Cobb gibt es eine Menge zu riechen.«
»Ja.« Pollys Stimme klang traurig und nachdenklich. »Weißt du, daß Wilma Jerzyck sie eines Abends angerufen und erklärt hat, wenn Nettie den Hund nicht zum Schweigen brächte, käme sie herüber und schnitte ihm die Kehle durch?«
»Nun«, sagte Alan gelassen, »ich weiß, daß Nettie dir das erzählt hat. Aber ich weiß auch, daß Wilma Nettie einen fürchterlichen Schrecken eingejagt hat und daß Nettie – Probleme gehabt hat. Ich will nicht behaupten, daß Wilma Jerzyck zu einem derartigen Anruf nicht imstande wäre, denn das ist sie. Aber es könnte sein, daß das nur in Netties Phantasie passiert ist.«
Daß Nettie Probleme gehabt hatte, war eine ziemliche Untertreibung, aber es gab keine Veranlassung, mehr zu sagen; beide wußten, wovon die Rede war. Nach Jahren in der Hölle, verheiratet mit einem Rohling, der sie auf jede Art mißhandelte, auf die ein Mann eine Frau mißhandeln kann, hatte Nettie Cobb ihrem Mann, während dieser schlief, eine Fleischgabel in den Hals gestoßen. Sie hatte fünf Jahre in Juniper Hill verbracht, einer geschlossenen Anstalt in der Nähe von Augusta. Dann war sie im Rahmen eines Arbeits-Entlassungsprogramms zu Polly gekommen. Nach Alans Ansicht hätte sie es nicht besser treffen können, und Netties sich ständig bessernder Gemütszustand bestätigte ihn in dieser Ansicht. Vor zwei Jahren hatte Nettie ein eigenes kleines Haus in der Ford Street bezogen, sechs Häuserblocks vom Geschäftsviertel entfernt.
»Ja, Nettie hat in der Tat Probleme«, sagte Polly, »aber ihre Reaktion auf Mr. Gaunt war wirklich verblüffend. Sie schien regelrecht hingerissen zu sein.«
»Ich muß wirklich hingehen und mir selbst ein Bild von diesem Mann machen«, sagte Alan.
»Erzähl mir, was du von ihm hältst. Und achte auf seine braunen Augen.«
»Ich bezweifle, daß sie so auf mich wirken werden, wie sie offenbar auf dich gewirkt haben«, sagte Alan trocken.
Sie lachte wieder, aber diesmal fand er, daß es ein wenig gezwungen klang.
»Versuch, ein bißchen Schlaf zu bekommen«, sagte er.
»Tue ich. Danke fürs Anrufen, Alan.«
»Gern geschehen.« Er schwieg einen Moment. »Ich liebe dich, meine Hübsche.«
»Danke, Alan – ich liebe dich auch. Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Er legte den Hörer auf, drehte den Schwenkarm der Schreibtischlampe so, daß sie
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