In einer kleinen Stad
hörte er kaum. Er war zu sehr mit seiner Wut beschäftigt – und mit seiner Verblüffung. Verblüffung über die Frechheit, die kühne, bittere Frechheit von Monsieur George T. Bastard Nelson.
Endlich gelang es Frank, den Knoten in seiner Zunge zu lösen. »Ich habe deinen Vogel umgebracht, richtig! Und was hast du getan? Was hast du getan, George, abgesehen davon, daß du dafür gesorgt hast, daß ich meinen Job verliere und nie mehr unterrichten kann? Gott, ich kann noch von Glück sagen, wenn ich nicht im Gefängnis lande! – Weshalb bist du nicht einfach gekommen und hast mich um Geld gebeten, wenn du welches brauchtest? Weshalb bist du nicht einfach gekommen und hast mich gebeten? Wir hätten die Sache irgendwie auf die Reihe bringen können, du dämlicher Schuft!«
»Ich weiß nicht, wovon du redest!« brüllte George T. Nelson zurück. »Ich weiß nur, daß du gerade tapfer genug bist, um einen winzigen Sittich umzubringen, aber nicht den Mut hast, das in einem fairen Kampf auszutragen!«
»Du weißt nicht – du weißt nicht, wovon ich rede? « stammelte Frank. Der Lauf der Llama schwenkte hin und her. Er konnte die Frechheit des Mannes auf dem Gehsteig einfach nicht begreifen. Er begriff sie einfach nicht. Da stand er nun, mit einem Fuß auf dem Pflaster und dem anderen praktisch in der Ewigkeit, und log einfach weiter...
»Nein! Ich weiß es nicht! Ich habe nicht die blasseste Ahnung!«
Im Übermaß seiner Wut fiel Frank Jewett nur die Kinderreaktion auf ein derart unverschämtes, empörendes Abstreiten ein: »Lügen, Lügen und Betrügen!«
»Feigling!« gab George T. Nelson munter zurück. »Kleiner Feigling! Sittichkiller!«
»Erpresser!«
»Spinner! Steck die Waffe weg, Spinner! Kämpfe fair mit mir!«
Frank grinste zu ihm herunter. »Fair? Ich soll fair mit dir kämpfen? Was verstehst du denn von Fairneß?«
George T. Nelson hob die leeren Hände. »Mehr als du, wie es aussieht.«
Frank öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber ihm fiel nichts ein. Georges T. Nelsons leere Hände hatten ihn fürs erste zum Verstummen gebracht.
»Also los«, sagte George T. Nelson. »Steck sie weg. Machen wir es so wie in den Western, Frank. Das heißt, wenn du den Mumm dazu hast. Der Schnellere überlebt.«
Frank überlegte: Nun, warum nicht? Warum eigentlich nicht? Er hatte nicht mehr viel, wofür zu leben sich lohnte, und wenn er schon sonst nichts mehr tat, so konnte er seinen alten »Freund« doch zumindest beweisen, daß er kein Feigling war.
»Okay«, sagte er und steckte die Llama in den Taillenbund seiner Hose. Er streckte die Hände vor sich aus, unmittelbar oberhalb des Kolbens der Waffe. »Wie willst du es haben, Georgie-Porgie?«
George T. Nelson lächelte. »Du kommst die Treppe herunter«, sagte er. »Ich gehe hinauf. Und wenn es das nächste Mal donnert...«
»Okay«, sagte Frank. »Gut. So machen wir’s.«
Er begann, die Treppe hinunterzusteigen. Und George T. Nelson begann, sie hinaufzusteigen.
7
Die grüne Markise von Needful Things war gerade in Pollys Sichtweite aufgetaucht, als das Bestattungsinstitut und der Barbiersalon hochgingen. Das Getöse war enorm. Sie sah Trümmer aus dem Herzen der Explosion herausfliegen wie Asteroiden in einem Science-Fiction-Film und duckte sich instinktiv. Das war ihr Glück; mehrere Holzbrocken und der stählerne Hebel von Barbierstuhl Nummer Zwei – Hendry Gendrons Stuhl – schmetterten durch die Windschutzscheibe ihres Toyota. Glassplitter schwirrten durch die Luft, die sich mit immer dichterem Rauch erfüllte.
Der steuerlose Toyota rumpelte über den Bordstein, prallte gegen einen Hydranten und blieb stehen.
Polly richtete sich auf und starrte durch das Loch in der Windschutzscheibe. Sie sah, wie jemand aus Needful Things herauskam und auf einen der drei vor dem Laden geparkten Wagen zuging. Im hellen Schein des Feuers auf der anderen Straßenseite konnte sie deutlich erkennen, daß es Alan war.
» Alan !« schrie sie, aber Alan drehte sich nicht um. Er bewegte sich mit der Zielstrebigkeit eines Roboters.
Polly stieß die Tür ihres Wagens auf und rannte, immer wieder seinen Namen rufend, auf ihn zu. Am unteren Ende der Straße fielen mehrere Schüsse. Alan drehte sich nicht um und warf auch keinen Blick auf das Flammenmeer an der Stelle, wo nur Augenblicke zuvor das Bestattungsinstitut und der Barbiersalon gestanden hatten. Er schien voll und ganz im Banne seiner eigenen Handlungsweise zu stehen, und Polly begriff plötzlich,
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