In einer kleinen Stad
ein Revolver knallte und eine Kugel knapp dreißig Zentimeter über seinen Kopf hinwegfuhr. Ace schaute auf und sah einen weiteren Bullen, der vor der Tür des Sheriffbüros stand. Dieser Bulle sah älter aus als Gott. Er schoß mit einer Hand auf Ace, die andere drückte oberhalb des Herzens auf seine Brust.
Seat Thomas’ zweiter Versuch pflügte direkt neben Ace in die Erde und spritzte schlammiges Wasser auf seine Stiefel. Der Alte war ein miserabler Schütze, aber Ace wurde plötzlich klar, daß er trotzdem schleunigst von hier verschwinden mußte. Sie hatten soviel Dynamit im Gericht deponiert, daß das ganze Gebäude bis in den Himmel fliegen würde; sie hatten den Zeitzünder auf fünf Minuten eingestellt, und hier war er, wenige Meter von dem Gebäude entfernt, während dieser dämliche Methusalem ihn als Zielscheibe benutzte.
Sollte doch das Dynamit die beiden erledigen.
Es war an der Zeit, Mr. Gaunt aufzusuchen.
Ace rannte auf die Straße zu. Der alte Deputy schoß abermals, doch auch dieser Schuß ging daneben. Ace rannte hinter den gelben Übertragungswagen, unternahm aber keinen Versuch, in ihn einzusteigen. Der Chevrolet Celebrity parkte vor Needful Things. Er war als Fluchtauto hervorragend geeignet. Doch zuvor hatte er die Absicht, Mr. Gaunt zu finden und sich auszahlen zu lassen. Bestimmt hatte er etwas verdient, und bestimmt würde Mr. Gaunt es ihm zukommen lassen.
Außerdem mußte er einen bestimmten diebischen Sheriff finden.
»Dem werd’ ich’s heimzahlen«, murmelte Ace und rannte die Main Street hinauf auf Needful Things zu.
6
Frank Jewett stand auf der Treppe vor dem Gericht, als er endlich den Mann erblickte, nach dem er Ausschau gehalten hatte. Frank stand bereits seit geraumer Zeit dort, und keines von den Dingen, die an diesem Abend in Castle Rock vorgingen, hatte für ihn viel Bedeutung gehabt. Nicht die Schreie und Rufe aus der Richtung von Castle Hill, nicht Danforth Keeton und irgendein angejahrter Hell’s Angel, die vor ungefähr fünf Minuten die Gerichtstreppe heruntergerannt waren, nicht die Explosionen, nicht die Schüsse, die gerade eben auf dem Parkplatz neben dem Sheriffbüro gewechselt worden waren. Frank hatte andere Hühnchen zu rupfen und andere Zitronen auszupressen. Frank betrieb seine eigene Fahndung nach seinem hochgeschätzten alten >Freund< George T. Nelson.
Und siehe da! Endlich! Da war George T. Nelson höchstpersönlich; er kam auf dem Gehsteig vor der Gerichtstreppe herangeschlendert. Wenn man von der automatischen Pistole absah, die im Bund von George T. Nelsons Sans-A-Belt-Polyesterhose steckte (und von der Tatsache, daß es noch immer in Strömen regnete), hätte er auf dem Weg zu einem Picknick sein können.
Da schlenderte er einfach so im Regen dahin, Monsieur George T. Bastard Nelson, in aller Seelenruhe. Und wie hatte es in dem Brief in Franks Büro geheißen? Nicht vergessen, 2000 Dollar in meinem Haus, spätestens 19.15 Uhr, sonst wirst du dir wünschen, ohne Pimmel geboren zu sein. Frank schaute auf die Uhr und stellte fest, daß es bereits näher an 20 Uhr als an 19.15 Uhr war; aber er kam zu dem Schluß, daß das keine Rolle spielte.
Er hob George T. Nelsons spanische Llama und richtete sie auf den Kopf dieses verdammten Dreckskerls von einem Gewerbelehrer, der für all seine Probleme verantwortlich war.
»NELSON!« schrie er. »GEORGE NELSON! DREH DICH UM UND SIEH MICH AN, DU SCHWEIN!«
George T. Nelson fuhr herum. Seine Hand fiel herunter auf den Kolben seiner Automatik und löste sich dann rasch wieder davon, als er sah, daß eine Waffe auf ihn gerichtet war. Er stemmte die Hände statt dessen auf die Hüften und schaute die Gerichtstreppe hinauf zu Frank Jewett, der dort stand – mit der Waffe, die er ihm gestohlen hatte; der Regen tropfte ihm von der Nase.
»Willst du mich erschießen?« fragte George T. Nelson.
»Worauf du Gift nehmen kannst«, knurrte Frank.
»Du willst mich erschießen wie einen Hund, ja?«
»Warum nicht? Hast du etwas anderes verdient?«
Zu Franks Verblüffung lächelte George T. Nelson und nickte. »So ist das also«, sagte er. »Genau das, was von einem feigen Bastard zu erwarten ist, der in das Haus eines Freundes einbricht und einen wehrlosen kleinen Vogel umbringt. Genau das, was zu erwarten ist. Also los, du feiger Hund. Erschieß mich, damit die Sache ein Ende hat.«
Donner dröhnte über ihren Köpfen, aber Frank hörte ihn nicht. Zehn Sekunden später flog die Bank in die Luft, und auch das
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