In einer kleinen Stad
darum.
»Wann?« fragte Nettie. Ihre träumerischen Augen waren zu dem Lampenschirm zurückgekehrt.
»Bald.« Er gab ihre Hände frei und stand auf. »Und nun, Nettie, muß ich unbedingt diesen wunderhübschen Lampenschirm für Sie in einen Karton packen. Mrs. Martin wollte kommen, um sich ein paar Lalique-Vasen anzusehen, in...« Er sah auf die Uhr. »Großer Gott, in einer Viertelstunde! Aber ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, daß Sie gekommen sind. Heutzutage gibt es kaum noch Leute, die die Schönheit von Buntglas zu würdigen wissen – die meisten Leute sind nichts als Händler mit Registrierkassen anstelle von Herzen.«
Auch Nettie war aufgestanden und betrachtete den Lampenschirm mit den sanften Augen einer Verliebten. Die nervöse Ängstlichkeit, mit der sie sich dem Laden genähert hatte, war völlig verschwunden. »Er ist herrlich, nicht wahr?«
»Ganz herrlich«, pflichtete Mr. Gaunt ihr liebenswürdig bei. »Und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie glücklich es mich macht, zu wissen, daß er ein gutes Heim haben wird, einen Ort, an dem jemand mehr tut, als ihn nur Mittwoch nachmittags abzustauben, und der ihn dann, nachdem er das jahrelang getan hat, in einem unachtsamen Moment zerbricht, die Scherben auffegt und sie ohne eine Spur von Bedauern in den Mülleimer schüttet.«
»Das würde ich nie tun!« rief Nettie.
»Ich weiß, daß Sie das nicht tun würden«, sagte Mr. Gaunt. »Das ist eines der Dinge, die Sie so liebenswert machen, Netitia.«
Nettie sah ihn verblüfft an. »Wie kommt es, daß Sie meinen Namen wissen?«
»Dafür habe ich ein besonderes Organ. Ich vergesse nie einen Namen oder ein Gesicht.«
Er verschwand hinter dem Vorhang im Hintergrund des Ladens. Als er zurückkehrte, hielt er ein Stück weiße Pappe in der einen und einen großen Packen Seidenpapier in der anderen Hand. Er legte das Seidenpapier neben den Tortenbehälter (es begann sofort, sich mit unerklärlichen kleinen Windungen und Biegungen zu etwas auszudehnen, das aussah wie ein großes Mieder) und ging daran, die Pappe zu einem Karton zu falten, der genau die richtige Größe für den Lampenschirm hatte. »Ich weiß, daß der Gegenstand, den Sie gerade gekauft haben, bei Ihnen in den besten Händen sein wird. Deshalb habe ich ihn an Sie verkauft.«
»Wirklich? Ich dachte – Mr. Keeton – und der Streich...«
»Nein, nein, nein!« sagte Mr. Gaunt, halb lachend und halb empört. »Einen Streich kann jeder spielen. Den Leuten macht es Spaß, anderen Streiche zu spielen! Aber Dinge Menschen zu überlassen, die sie lieben und brauchen – das ist etwas völlig anderes. Manchmal, Netitia, glaube ich, daß das, was ich in Wirklichkeit verkaufe, Glück ist – was meinen Sie?«
»Nun«, sagte Nettie ernsthaft, »ich weiß, daß Sie mich glücklich gemacht haben, Mr. Gaunt. Sehr glücklich.«
Er entblößte seine krummen, unregelmäßigen Zähne zu einem breiten Lächeln. »Gut! Das ist gut!« Mr. Gaunt schob das Mieder aus Seidenpapier in den Karton, deponierte den Lampenschirm in die knisternde Weiße, machte den Karton zu und verschloß ihn mit einem Stück Klebeband. »So, das hätten wir! Ein weiterer zufriedener Kunde hat gefunden, was er haben wollte!«
Er streckte ihr den Karton entgegen. Nettie nahm ihn. Und als ihre Finger die seinen berührten, durchfuhr sie ein Abscheu, obwohl sie sie noch ein paar Augenblicke zuvor mit großer Kraft – und sogar Inbrunst – ergriffen hatte. Aber dieses Zwischenspiel kam ihr schon jetzt verschwommen und unwirklich vor. Er stellte den Tupperware-Behälter auf den weißen Karton. Sie sah, daß in dem letzteren etwas lag.
»Was ist das?«
»Ein paar Zeilen an Ihre Arbeitgeberin«, sagte Gaunt.
Sofort war Netties Gesicht wieder verängstigt. »Doch nicht über mich?«
»Großer Gott, nein!« sagte Gaunt lachend, und Nettie entspannte sich wieder. Wenn Mr. Gaunt lachte, waren Widerstand oder Mißvertrauen unmöglich. »Geben Sie gut acht auf Ihren Lampenschirm, Netitia, und kommen Sie bald wieder.«
»Das werde ich tun«, sagte Nettie, und das hätte eine Antwort auf beide Aufforderungen sein können, aber in ihrem Herzen (jenem geheimnisvollen Behältnis, in dem Bedürfnisse und Ängste einander ständig bedrängten wie Fahrgäste in einem überfüllten U-Bahn-Wagen) spürte sie, daß sie zwar vielleicht einmal wiederkommen würde; aber der Lampenschirm würde der einzige Gegenstand bleiben, den sie bei Needful Things gekauft hatte.
Und wenn
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