In einer kleinen Stad
daß sie durchaus einen Marktwert von hundertfünfzig Dollar haben konnte.
In Gedanken formulierte Brian eine mögliche Antwort.
Ich habe sie aus dem neuen Laden, Dad – Needful Things. Der Mann dort hat mir einen wirklich tollen Rabatt gegeben – er hat gesagt, die Leute bekämen mehr Lust, seinen Laden aufzusuchen, wenn er die Preise niedrig hielte.
So weit, so gut, aber selbst ein Junge, der erst in einem Jahr an der Kinokasse den vollen Preis würde zahlen müssen, wußte, daß es damit nicht ausgestanden war. Wenn man sagte, daß man etwas zu einem wirklich günstigen Preis gekauft hatte, waren die Leute immer interessiert. Zu interessiert.
Ach ja? Wieviel hat er nachgelassen? Dreißig Prozent? Vierzig? Hat er sie dir für den halben Preis verkauft? Das wären immer noch sechzig oder siebzig Dollar, Brian, und ich weiß, daß soviel Geld nicht in deiner Sparbüchse steckt.
Nun – in Wirklichkeit war es ein bißchen weniger, Dad.
Okay. Dann sage mir, wieviel du dafür bezahlt hast.
Also – fünfundachtzig Cents.
Er hat dir eine signierte 1956er Sandy Koufax-Baseballkarte in erstklassigem Zustand für fünfundachtzig Cents verkauft?
Ja, das war der Punkt, an dem es ungemütlich werden würde.
Inwiefern? Er wußte es ganz genau, es würde Stunk geben, da war er ganz sicher. Irgendwie würden sie ihm einen Vorwurf daraus machen – sein Dad vielleicht nicht, aber seine Mom ganz bestimmt.
Sie konnten sogar versuchen, ihn dazu zu zwingen, daß er sie zurückgab, und das war etwas, was überhaupt nicht in Frage kam. Sie war nicht nur signiert; sie war für Brian signiert.
Kam nicht in Frage.
Er war nicht einmal imstande gewesen, sie Stan Dawson zu zeigen, als Stan zum Baseballtraining herüberkam, obwohl er es nur zu gern getan hätte – Stan wäre gelb geworden vor Neid. Aber Stan sollte Freitag bei ihnen schlafen, und Brian konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er zu Brians Dad sagte: Was sagen Sie zu Brians Sandy Koufax-Karte , Mr. Rusk? Ein erstklassiges Stück, nicht wahr? Dasselbe galt für seine anderen Freunde. Brian war auf eine der großen Wahrheiten kleiner Städte gestoßen: viele Geheimnisse – im Grunde alle wirklich wichtigen Geheimnisse – kann man niemandem anvertrauen. Weil Neuigkeiten die Runde machen, und zwar schnell.
Er befand sich in einer merkwürdigen und unerfreulichen Position; er hatte etwas Großartiges erworben und konnte es niemandem zeigen. Das hätte seine Freude über die Neuerwerbung trüben können und tat es auch bis zu einem gewissen Grade, aber es verschaffte ihm auch eine geheime Befriedigung. Er stellte fest, daß er sich nicht eigentlich über die Karte freute, sondern sich vielmehr an ihr weidete , und damit war er auf eine weitere der großen Wahrheiten gestoßen: sich insgeheim an etwas weiden zu können, verschafft einem ein ganz besonderes Vergnügen. Es war fast, als wäre eine Ecke seines zumeist offenen und gutherzigen Wesens abgetrennt und dann mit einem speziellen, schwarzen Licht ausgeleuchtet, das alles, was darin versteckt war, sowohl verzerrte als auch verschönerte.
Und er dachte nicht daran, sie wieder herzugeben.
Auf gar keinen Fall.
Dann solltest du bezahlen, was du dafür noch schuldig bist , flüsterte eine Stimme tief in seinem Bewußtsein.
Er würde es tun. In dieser Beziehung gab es keine Probleme. Er glaubte zwar nicht, daß das, was er tun sollte, sonderlich nett war, aber er war ziemlich sicher, daß es auch nichts absolut Widerwärtiges war. Nur ein... ein...
Nur ein Streich, flüsterte eine Stimme in seinem Bewußtsein, und er sah die Augen von Mr. Gaunt – dunkelblau, wie das Meer an einem klaren Tag, und seltsam beruhigend. Das ist alles. Nur ein kleiner Streich.
Ja, nur ein Streich, wie immer der aussehen mochte.
Kein Problem.
Er kroch tiefer unter seine Daunendecke, drehte sich auf die Seite, schloß die Augen und begann sofort einzuschlafen.
Etwas ging ihm durch den Kopf, als er und Bruder Schlaf einander näherkamen. Etwas, das Mr. Gaunt gesagt hatte. Du wirst eine bessere Reklame für mich sein, als es eine Anzeige in der Lokalzeitung jemals sein kann. Aber er konnte die wunderbare Karte, die er gekauft hatte, niemandem zeigen. Wenn schon ein bißchen Nachdenken ihm das klargemacht hatte, einem elfjährigen Jungen, der nicht einmal intelligent genug war, um Hugh Priest aus dem Wege zu gehen, wenn er die Straße überquerte – würde dann ein kluger Mann wie Mr. Gaunt nicht auf die gleiche Idee kommen?
Nun,
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