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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schon. Es war ein herrlicher Gegenstand, genau das, was sie sich schon immer gewünscht hatte, das einzige, das sie zur Vervollständigung ihrer bescheidenen Sammlung noch brauchte. Sie dachte daran, Mr. Gaunt zu erzählen, daß ihr Mann vielleicht noch am Leben wäre, wenn er nicht vor vierzehn Jahren einen ganz ähnlichen Buntglas-Lampenschirm zerbrochen hätte, daß es das gewesen war, was ihr den Rest gegeben und sie schließlich zu ihrer Tat getrieben hatte. Er hatte im Laufe ihrer gemeinsamen Jahre viele ihrer Knochen zerbrochen, und sie hatte ihn am Leben gelassen. Doch schließlich hatte er etwas zerbrochen, was sie wirklich brauchte, und da hatte sie ihn umgebracht.
    Sie entschied, daß sie Mr. Gaunt das nicht zu erzählen brauchte.
    Er sah aus wie ein Mann, der es möglicherweise bereits wußte.

3
     
    »Polly! Polly, sie kommt heraus!«
    Polly verließ die Schneiderpuppe, an der sie gerade langsam und vorsichtig einen Saum hochgesteckt hatte, und eilte ans Fenster. Sie und Rosalie standen Seite an Seite und beobachteten, wie Nettie Needful Things in einem Zustand verließ, den man nur als schwerbeladen bezeichnen konnte. Ihre Tasche hatte sie unter den einen Arm geklemmt, den Regenschirm unter den anderen, und in den Händen hielt sie einen weißen Karton, auf dem sie Pollys Tupperware-Behälter balancierte.
    »Vielleicht sollte ich hinausgehen und ihr helfen«, sagte Rosalie.
    »Nein.« Polly streckte eine Hand aus und hielt sie sanft zurück. »Lieber nicht. Ich glaube, das würde sie nur verlegen und nervös machen.«
    Sie beobachteten, wie Nettie die Straße heraufkam. Jetzt trippelte sie nicht mehr, als könnte ein Sturm über sie hereinbrechen; jetzt wirkte sie fast wie vom Sturm getrieben.
    Nein , dachte Polly. Nein, das stimmt nicht. Es ist eher eine Art – Schweben.
    Ihr Verstand stellte ganz plötzlich eine jener merkwürdigen Querverbindungen her, die fast den Charakter von Verweisen haben, und sie brach in Gelächter aus.
    Rosalie betrachtete sie mit gehobenen Brauen. »Was ist?«
    »Es ist der Ausdruck auf ihrem Gesicht«, sagte Polly und beobachtete, wie Nettie mit langsamen, träumerischen Schritten die Linden Street überquerte.
    »Was meinst du damit?«
    »Sie sieht aus wie eine Frau, die gerade mit einem Mann im Bett war – und ungefähr drei Orgasmen hatte.«
    Rosalie errötete, warf nochmals einen Blick auf Nettie, und dann lachte sie laut heraus. Polly fiel in das Gelächter ein, und die beiden Frauen lagen sich in den Armen, schaukelten vor und zurück und lachten hemmungslos.
    »Himmel«, sagte Alan Pangborn, der gerade in den Laden gekommen war. »Damen, die am Vormittag um Viertel vor elf lachen! Für Champagner ist es noch zu früh, also was ist los?«
    »Vier!« sagte Rosalie, wie von Sinnen lachend. Tränen liefen ihr über die Wangen. »Ich hatte den Eindruck, es müßten vier gewesen sein!«
    Dann ging es wieder los, sie lagen sich in den Armen und lachten atemlos, während Alan mit den Händen in den Taschen seiner Uniformhose dastand und ratlos lächelte.

4
     
    Ungefähr zehn Minuten bevor in der Fabrik die Zwölf-Uhr-Sirene ertönte, erschien Norris Ridgewick in Zivil im Büro des Sheriffs. Er hatte die mittlere Schicht von zwölf bis einundzwanzig Uhr, das ganze Wochenende über, und das war genau das, was ihm gefiel. Sollte doch ein anderer die Schweinereien auf den Highways und Nebenstraßen von Castle County wegräumen, nachdem um ein Uhr nachts die Lokale schlossen; er konnte es, hatte es bei vielen Gelegenheiten getan, sich dabei aber fast immer die Seele aus dem Leibe gekotzt. Manchmal kotzte er sich sogar die Seele aus dem Leib, wenn die Unfallopfer schon wieder aufgewacht waren und herumwanderten und schrien, sie dächten nicht daran, in das Röhrchen zu blasen, sie kennen ihre verfassungsmäßigen Rechte. Norris hatte nun einmal einen solchen Magen. Sheila Brigham zog ihn immer auf, indem sie sagte, er gliche dem Deputy Andy in der Fernsehserie Twin Peaks , aber Norris wußte, daß das nicht zutraf. Deputy Andy weinte, wenn er Tote sah. Norris weinte nicht, aber er neigte dazu, sich über ihnen zu erbrechen, so, wie er sich damals fast über Homer Gamache erbrochen hätte, als er ihn gefunden hatte, in einem Graben in der Nähe des Homeland-Friedhofs, totgeschlagen mit seiner eigenen Armprothese.
    Norris sah auf den Dienstplan, stellte fest, daß sowohl Andy Clutterbuck als auch John LaPointe Streife fuhren, und dann auf das Tages-Bulletin. Nichts für ihn,

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