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In einer Person

In einer Person

Titel: In einer Person Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wiedersehen würde. (Wie mein Vater gesagt hatte: »Wir sind die,
die wir sind, nicht wahr?«)
    Doch das Wort Abschied fühlte sich so
endgültig an; ich konnte es nicht sagen.
    » Adiós, junger William«, sagte Señor
Bovary.
    »Adiós«, gab ich zurück. Sie gingen fort –
natürlich händchenhaltend –, als ich meinem Vater nachrief: » Adiós, Dad!«
    »Hat er mich ›Dad‹ genannt – hab ich das richtig gehört?«, fragte
mein Vater Mr. Bovary.
    [699]  »Das hat er, eindeutig«, antwortete ihm Bovary.
    » Adiós, mein Sohn!«, sagte mein Vater.
    »Adiós!«, rief ich meinem Dad und der
Liebe seines Lebens nach, bis ich sie nicht mehr sah.
    Das Black Box Theater der Favorite River Academy, ein flexibel
einsetzbarer schwarzer Kubus im Webster Center für darstellende Künste, war
nicht die Hauptbühne des relativ neuen, aber hirnlosen Gebäudes – gut gemeint,
um es nett zu sagen, aber schlecht gebaut.
    Die Zeiten haben sich geändert: Heutzutage lernen Schüler
Shakespeare nicht mehr so, wie ich ihn noch lernte. Ich könnte mit einer
Aufführung egal welchen Shakespeare-Stücks keinen Saal mehr füllen, nicht
einmal mit Romeo und Julia – und nicht einmal mit
einem ehemaligen Jungen als Julia! Das Black Box eignete sich ohnehin besser
für meine jungen Schauspieler, und für ein kleineres Publikum war es toll. Die
Schüler waren bei unseren Produktionen im Black Box Theater viel lockerer, aber
wir alle beklagten uns über die Mäuse. Das Haus mochte relativ neu sein, aber
der Kriechkeller unter dem Webster Center war (aufgrund falscher Planung oder
fehlerhafter Bauausführung) schlecht isoliert und nicht gegen Mäuse gesichert.
    Sobald es kalt wird, tauchen in jedem schlechtgebauten Haus in
Vermont Mäuse auf. Die Kids, die mit mir an unserer Black-Box-Produktion von Romeo und Julia arbeiteten, nannten sie »Bühnenmäuse«; ich
kann nicht sagen, warum, außer dass die Mäuse gelegentlich auf der Bühne
gesichtet wurden.
    In jenem November war es kalt, sogar für Vermonter [700]  Begriffe.
(Kein Wunder, dass die Mäuse sich ins Haus geflüchtet hatten.) Uns blieb nur
noch eine Woche Zeit bis zum langen Thanksgiving-Wochenende, und es lag auch
schon Schnee.
    Ich hatte soeben Richard Abbott überredet, zu mir in das Haus in der
River Street zu ziehen; mit achtzig konnte Richard gut darauf verzichten, noch
einen weiteren Vermonter Winter allein in einem Haus zu verbringen – jetzt, wo
Martha in die Einrichtung für betreutes Wohnen übersiedelt war, lebte er
allein. In der River Street dagegen bekam er nun mein ehemaliges Kinderzimmer
und das Bad, das ich mir einst mit Grandpa Harry geteilt hatte.
    Richard beklagte sich nicht über die Geister. Vielleicht hätte er es
getan, wenn er dem Geist von Nana Victoria oder Tante Muriel begegnet wäre –
oder sogar dem meiner Mutter –, doch Richard sah ausschließlich Grandpa Harrys
Geist. Natürlich erschien Harrys Geist mehrmals in unserem ehemals gemeinsamen
Badezimmer, wenn auch glücklicherweise nicht in der Bade wanne.
    »Harry wirkt auf mich verwirrt, wie jemand, der seine Zahnbürste
verlegt hat«, war Richards einziger Kommentar zu Grandpa Harrys Geist.
    Die Badewanne, in der sich Harry das Gehirn weggepustet hatte, war
verschwunden. Falls Grandpa Harry tatsächlich versuchen sollte, diesen
Selbstmord in einem Badezimmer zu wiederholen, müssten dazu das große Bad (das ich jetzt benutze) sowie die einladende neue
Wanne herhalten (wie damals, als Harry ihn für Amanda wiederholt hatte).
    Doch, wie gesagt, ich selbst sah den Geist in dem Haus [701]  an der
River Street nie. Aber eines Morgens wachte ich auf und fand meine
Kleidungsstücke ordentlich hingelegt, in der Reihenfolge, in der ich sie
anziehen würde, am Fußende meines Bettes. Es waren saubere Sachen, die Jeans
ganz unten im Stapel; das Hemd war korrekt gefaltet, ganz oben lagen Socken und
Unterwäsche. Genau so hatte meine Mutter mir immer meine Kleidung
zurechtgelegt, als ich noch ein kleiner Junge war. Angeblich hatte sie das
allabendlich gemacht, nachdem ich eingeschlafen war (und damit erst aufgehört,
als ich in die Pubertät kam, oder kurz davor). Ich hatte völlig vergessen, wie
sehr sie mich einmal geliebt hatte. Vermutlich wollte ihr Geist mich daran
erinnern.
    Das geschah nur an diesem einen Morgen, genügte aber, um mich an die
Zeit zu erinnern, als ich sie ebenfalls geliebt hatte – vorbehaltlos. Jetzt,
nach den vielen Jahren, in denen ich ihre Zuneigung verloren hatte und

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