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In einer Person

In einer Person

Titel: In einer Person Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Gee sich unseren Respekt verdient und
jede Menge Selbstvertrauen als Frau erworben hatte.
Ich merkte, dass Gees Selbstsicherheit ins Wanken kam. Ich wusste, was sie
dachte – in Gegenwart des jungen Kittredge und unter seinem bedrohlich
prüfenden Blick. Sehe ich annehmbar aus?, fragte sich
Gee.
    »Gee ist nur ein erfundener Name«, antwortete ihm das Mädchen
ausweichend.
    »Wie heißt du denn wirklich ?«, fragte
Kittredges Sohn.
    »Bei meiner Geburt war ich George Montgomery. Später werde ich
Georgia Montgomery sein«, sagte ihm Gee. »Zurzeit bin ich nur Gee. Ich bin ein
Junge, der ein Mädchen wird – ich bin in einem Übergangsstadium «,
sagte meine Julia dem jungen Kittredge.
    »Besser geht’s nicht, Gee«, sagte ich wieder. »Ich finde, das hast
du perfekt erklärt.«
    Ein Blick auf Kittredges Sohn verriet mir: Er hatte nicht geahnt,
dass Gee sich »im Umbau« befand; er hatte nicht [719]  gewusst, dass sie ein Transgender-Kid
war, das sich tapfer daran machte, eine Frau zu werden. Ein kurzer Blick auf
Gee verriet mir, sie wusste, dass sie annehmbar gewesen war und dass sie daraus jede Menge Selbstvertrauen schöpfen konnte.
Nachträglich wird mir klar: Hätte sich Kittredges Sohn Gee gegenüber eine
respektlose Bemerkung erlaubt, ich hätte ihn umgebracht.
    In diesem Augenblick traf Manfred ein. »Der Ringer ist da!«, rief
jemand – vielleicht mein Mercutio, vielleicht auch mein schwuler Benvolio.
    »Wir haben unseren Tybalt!«, rief meine kräftige Amme Gee und mir
zu.
    »Ah, endlich«, sagte ich. »Wir sind so weit.«
    Gee lief zur Bühne – als hinge ihr nächstes Leben davon ab, diese
verspätete Probe zu beginnen. »Viel Glück – Hals- und Beinbruch«, rief der
junge Kittredge ihr nach. Genau wie sein Vater – man wusste bei ihm nie, woran
man war. Meinte er es ernst, oder war er sarkastisch?
    Ich sah, dass meine sehr durchsetzungsfähige Amme Manfred
beiseitegenommen hatte. Zweifellos brachte sie den heißblütigen Tybalt auf den
neuesten Stand – »der Ringer« sollte wissen, dass es ein potentielles Problem
gab, einen Freak (wie sie den jungen Kittredge genannt hatte) im Publikum. Ich
bugsierte Kittredges Sohn zwischen den hufeisenförmig angeordneten Sitzreihen
entlang zum nächsten Ausgang, als Manfred sich im Zwischengang aufbaute – so
kampfeslustig wie Tybalt in Hochform.
    Wenn Manfred privat mit mir reden wollte, sprach er immer Deutsch;
er wusste, dass ich in Wien gelebt hatte und noch ein wenig Deutsch sprach,
wenn auch dürftig. [720]  Manfred fragte mich höflich, ob er mir irgendwie helfen
könne – auf Deutsch.
    Verdammte Ringer ! Mein Tybalt hatte seinen
halben Schnauzbart verloren; ehe sie seine Wunde nähen konnten, mussten sie ihm
eine Seite der Oberlippe rasieren! (Manfred musste sich vor der Aufführung auch
noch die andere Hälfte abrasieren; keine Ahnung, wie es Ihnen geht, aber ich
habe noch nie einen Tybalt mit einem halben Schnauzbart gesehen.)
    »Du sprichst ziemlich gut Deutsch«, sagte der junge Kittredge zu
Manfred; er klang überrascht.
    »Das will ich hoffen – ich bin Deutscher«, entgegnete Manfred
kämpferisch auf Englisch.
    »Das ist mein Tybalt. Er ist außerdem Ringer, wie Ihr Vater«, sagte
ich zu Kittredges Sohn. Sie gaben sich zögernd die Hand. »Ich bin gleich unten,
Manfred – du kannst auf der Bühne auf mich warten. Schicke Lippe«, sagte ich
ihm, als er den Gang hinunter zur Bühne schritt.
    Am Ausgang gab mir der junge Kittredge widerstrebend die Hand. Er
war immer noch aufgewühlt; er hatte noch mehr zu sagen, doch zumindest in einer
Hinsicht war er nicht wie sein Vater. Was auch immer man von Kittredge hielt,
eins kann ich bezeugen: Er war ein gemeiner Arsch, aber er war ein Kämpfer. Dem
Sohn, egal, ob er mal Ringer gewesen war oder nicht, genügte ein Blick auf
Manfred; Kittredges Sohn war kein Kämpfer.
    »Hören Sie, Folgendes – ich muss das einfach loswerden«, sagte der
junge Kittredge; dabei konnte er mich kaum ansehen. »Zugegeben, ich kenne Sie
nicht – ich habe auch keinen Schimmer, wer mein Vater wirklich war. Aber ich [721]  habe
alle Ihre Bücher gelesen, und ich weiß, was Sie machen – in Ihren Romanen, meine ich. Sie lassen all diese sexuellen Extreme
normal aussehen, das machen Sie. Beispielsweise Gee, dieses Mädchen oder was sie sonst sein mag – oder wozu sie gerade wird. Sie erschaffen diese Figuren, die sexuell so ›anders‹ sind, wie Sie das nennen mögen – oder ›abgefuckt‹, wie ich sie nennen

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