In einer Person
Dad
den Besuchern auf Spanisch. »Sie dauert nicht sehr lang«, sagte er lächelnd;
seine alten schmalen Finger spielten mit den Perlen. »Vielleicht habt ihr sie
schon einmal gehört?«, fragte er, wie mir Bovary auf Englisch ins Ohr
flüsterte.
»Sí!«, rief die Menge im Chor.
»Tut mir leid«, erwiderte mein Vater, »aber ich kenne nur diese
Geschichte. Es ist die Geschichte meines Lebens und meiner einen großen Liebe.«
Ich kannte die Geschichte bereits. Er hatte sie mir, zumindest
teilweise, erzählt, als ich mich vom Scharlach erholte – nur detaillierter, als
ein Kind sie sich merken konnte.
»Stellt euch vor, ihr lernt die Liebe eures Lebens auf einem Klo kennen!«, rief Franny Dean. »Wir waren auf einem
Scheißhaus, in dem kniehoch das Meerwasser stand; wir waren auf einem Schiff,
in dem kniehoch die Kotze stand!«
»Vómito!«, wiederholte die Menge wie aus
einer Kehle.
Ich war erstaunt, wie viele der Anwesenden die Geschichte schon
gehört hatten; sie kannten sie auswendig. Im Publikum waren viele ältere Menschen,
Männer und Frauen; junge Leute waren auch da – hauptsächlich junge Männer.
»Nichts klingt so wie ein menschlicher Hintern, der über eine Reihe
Toilettensitze rutscht – dieses Klatschen, während
die Liebe deines Lebens näher kommt, näher und immer näher«, sagte mein Vater;
er hielt inne und atmete [691] tief durch, während viele der jungen Burschen im
Publikum die Hosen (und auch die Unterhosen) fallen ließen und einander auf die
nackten Ärsche schlugen.
Auf der Bühne atmete mein Vater aus und sagte mit einem
missbilligenden Seufzen: »Nein, nicht so – es war ein anderes, kultivierteres Klatschen.« Mein Dad in seinem schwarzen, im Rücken tief
ausgeschnittenen Glitzerkleid hielt wieder inne – während die getadelten Jungs
die Hosen wieder hochzogen und das Publikum sich wieder beruhigte.
»Stellt euch vor, während eines schweren Sturms auf See zu lesen. Was für ein fanatischer Leser müsste man da wohl
sein?«, fragte Vater. »Ich lese schon mein Leben lang. Mir war klar, falls ich jemals der Liebe meines Lebens begegnen würde, müsste er
wie ich auch ein großer Leser sein. Aber ach – ihm auf diese Art zum ersten Mal zu begegnen! Backe an Backe,
sozusagen«, sagte mein Dad, schob eine magere Hüfte vor und klatschte sich
selbst auf die Hinterbacken.
»Backe an Backe!«, rief die Menge – oder wie auch immer das auf
Spanisch heißen mag. (Ich hab’s vergessen.) Er hatte Bovary auf dem Klo
kennengelernt, Pobacke an Pobacke; eine nicht zu überbietende erste Begegnung.
Viel mehr kam bei dem Auftritt nicht mehr. Als die Geschichte meines
Vaters über die Liebe seines Lebens zu Ende war, machten sich viele der älteren
Menschen im Publikum rasch aus dem Staub, so wie auch fast alle Frauen. Die
Frauen, die blieben, waren, wie ich erst später – im Hinausgehen – merkte, die
Transsexuellen und Transvestiten. (Die jungen Burschen blieben, und als ich
später den Club verließ, waren noch viel mehr da – außerdem einige [692] ältere
Männer, die meist allein kamen, zweifellos auf der Pirsch.)
Señor Bovary brachte mich zu meinem Vater hinter die Bühne. »Sei
nicht enttäuscht«, flüsterte er mir ins Ohr, als säßen wir noch in der Bar und
er müsse noch immer dolmetschen.
Als Bovary und ich hinter der Bühne eintrafen, stand mein Vater in
seiner Garderobe und war schon bis zur Taille ausgezogen (einschließlich der
Perücke). William Francis Dean hatte einen schneeweißen Bürstenhaarschnitt und
den mageren, muskulösen Körper eines Leichtgewichtringers oder Jockeys. Die
kleinen Gummibrüste und ein BH , kaum größer als
Elaines – den ich getragen hatte, wenn ich schlief –, lagen auf dem
Garderobentisch meines Dads, alles auf einem Haufen samt der Perlenkette. Das
Kleid, das den Reißverschluss am Rücken hatte, war nur bis zur schlanken Taille
meines Vaters geöffnet, und er hatte sich die obere Hälfte von den Schultern
gestreift.
»Soll ich den Rest des Reißverschlusses öffnen, Franny?«, fragte
Señor Bovary den Bühnenkünstler. Mein Vater drehte Bovary den Rücken zu und
ließ seinen Geliebten den Reißverschluss öffnen. Franny Dean stieg aus dem
Kleid, jetzt sah man nur ein knappes schwarzes Korsett; seine schwarzen
Strümpfe hatte er schon von dem Korsett gelöst – sie hingen ihm zusammengerollt
um die schlanken Knöchel. Als sich mein Dad auf den Tisch setzte, zog er sich
die zusammengerollten Strümpfe von den kleinen
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