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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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verdrängte er diese dunklen Wolken und konzentrierte sich auf die Hoffnung, die ihm die Hand seiner Frau vermittelte.
    Sobald James MacDonald von Cam in das Revier von Wheelock abgeführt worden war, begann sich die Menge draußen zu zerstreuen. Am Schreibtisch im Vorraum schloß Cam die Handschellen auf und bat James, seine Taschen zu leeren. Er sah eine Handvoll Pennies, ein Päckchen Kaugummi und ein paar Brösel auf das Resopal fallen – doch nichts, was diesen Mann zum Mörder stempeln würde.
    Hannah hatte Mittagspause, deshalb war das Büro leer und still bis auf das abgehackte Rauschen des Funkgeräts. »Mr. MacDonald«, begann Cam, »kommen Sie doch bitte hier herein.«
    Er führte den Sünder in den Untersuchungsraum und deutete auf einen Stuhl. Dann setzte sich Cam ebenfalls, zog ein Aufnahmeformular aus einer Schreibtischschublade und legte es mit der Schrift nach unten vor sich. Er würde erst mal anhören, was der Kerl zu sagen hatte; aber er würde seine Pistole darauf verwetten, daß er ihn schließlich doch einsperren müßte.
    Cam blickte auf und sah, daß der Mann ihn mit einem Lächeln anstarrte, das eben noch die Mundwinkel erreichte. »Man sagt, du siehst aus wie er, weißt du?« sagte James.
    »Wie wer?«
    »Cameron MacDonald. Der erste. Der berühmte.«
    Cam machte eine umständliche Zeremonie daraus, die unzähligen Stifte und Kugelschreiber auf dem Schreibtisch zu arrangieren. »Nicht daß ich wüßte«, nuschelte er. Er atmete tief aus. »Hören Sie, im Augenblick bin ich nur der Chief der Polizei, und Sie haben einen Mord gestanden. Vergessen wir also den anderen Quatsch.«
    »Das kann ich nicht. Ich bin eigens nach Wheelock gekommen, weil du hier bist.«
    Cam kniff die Augen zusammen. »Wie genau sind Sie mit mir verwandt?«
    »Dein Großvater ist mein Großonkel. Frag Angus, wenn du mir nicht glaubst. Wie alt ist er inzwischen, achtzig? Zweiundachtzig?«
    »Vor allem ist er senil, meistens wenigstens«, schränkte Cam ein. Sein Großonkel Angus war der Hüter von Carrymuir gewesen, während Cam und sein Vater es in Wheelock zu Wohlstand gebracht hatten. Nach Ian MacDonalds Tod war Cam nach Schottland geflogen, hatte seinen Onkel Angus nach Wheelock geholt und Carrymuir dem Scottish National Trust Überschrieben.
    »Mr. MacDonald!«
    »Jamie.« Er beugte sich vor, als wolle er Cam ein Geheimnis anvertrauen. »Ich wurde nach unserem Onkel Jamie benannt«, sagte er. »Dem, der im Krieg gefallen ist.«
    Cam blieb der Mund offen stehen. Niemand sprach je von seinem Onkel Jamie, weil das seine Großmutter jedesmal zum Weinen gebracht hatte. Jamie war der Erstgeborene gewesen und hätte eigentlich Clanchef werden sollen, wäre er nicht 1944 über dem Pazifik abgeschossen worden. Nur deshalb hatte Cams Vater als zweitgeborener Sohn den Titel übernommen.
    Cam schluckte und faßte sich wieder. »Na gut, Jamie«, seufzte er. »Erzähl mir, was dich nach Wheelock geführt hat.«
    Jamie zögerte kaum eine Sekunde. »Ich bin hergekommen, um meine Frau zu töten.«
    Cam starrte in Jamies Augen, die beinahe die gleiche Farbe hatten wie seine eigenen – meergrün, ein Erbe der MacDonalds. Er suchte darin nach unterdrücktem Zorn, reuevollem Zurückweichen oder, so Gott es wollte, dem Feuer des Wahnsinns. Nichts dergleichen entdeckte er. Also klärte er ihn, während er das Verhaftungsformular in die Schreibmaschine spannte, auf: »Du hast das Recht zu schweigen.«
    Jamie MacDonald hatte es sich zum Beruf gemacht, alternative Welten zu erschaffen. Er ließ junge Paare ihren ersten Rundgang durch ihr zukünftiges Heim entwerfen, in einem Haus, das noch gar nicht gebaut war; er gab querschnittsgelähmten Menschen die Möglichkeit, wieder zu laufen; er ließ Medizinstudenten an Patienten herumoperieren, die weder litten noch bluteten. Als Präsident und Gründer von Techcellence, einer auf virtuelle Realität spezialisierten Computergesellschaft für Konzeptdesign, hatte er sich an die Speerspitze einer radikalen technischen Bewegung gestellt und war zum Symbol für den ganzen Bereich geworden. Maggie, deren Computerkünste sich darauf beschränkten, WordPerfect zu starten, meinte immer, die Sache sei ganz einfach. »Du bist der Zauberer von Oz«, sagte sie dann. »Du erfüllst den Menschen ihre Wünsche.«
    Irgendwie gefiel ihm dieses Bild. Es stimmte – die Leute neigten dazu, sich für Techcellence zu entscheiden, wenn es um Dinge ging, die keine andere Konzeptdesign-Firma bieten konnte. Weil Jamie

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