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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Wort zu mir, sondern ging einfach nach oben und fing an, ihre Kleider in die Pappschachtel zu räumen.«
    »Was tust du da? « fragte er. »Was hat der Arzt gesagt? «
    Aber Maggie faltete weiter ihre Kleider zusammen. Erst kamen die Shorts, und er glaubte schon, sie wollte in ihren Schubladen Platz für die Wintersachen machen. Doch als sie auch die Unterwäsche einpackte und das Nachthemd, das sie am Abend zuvor getragen hatte, kniete er neben ihr nieder, packte sie an den Schultern und drückte so fest zu, daß sie ihn einfach ansehen mußte.
    »Jamie «, sagte sie. »Ich mache das nicht mehr mit. «
    Was? Sein Geist klammerte sich an jeden Strohhalm. Kleider zusammenfalten? Mit ihm reden? Er zog sie zu sich her, bis sie neben ihm auf dem Bett saß. »Das Sterben ist nicht das Schlimmste «, sagte sie. »Aber daß ich nicht weiß, was mich als nächstes erwartet, bringt mich um. «
    Sie bat ihn geradeheraus, sie zu töten. Er erklärte ihr, daß er das auf gar keinen Fall tun würde. Sie meinte, er verhielte sich egoistisch. Er sagte, sie verhielte sich auch egoistisch. Sie antwortete, das sei ihr gutes Recht.
    Maggie, wollte, daß er es gleich tat; er wollte noch ein letztes Wochenende mit ihr. Sie machte sich daran, alles vorzubereiten, damit er nicht aufräumen mußte, nachdem sie gegangen war; er zwang sie, die Sachen zurück in die Schublade zu legen, weil er meinte, daß ein Schatten und eine Erinnerung an sie besser seien als nichts. Er erklärte ihr, er würde den Ort wählen, da er nicht in Cummington weiterleben könne, falls er das Dorf als den Ort im Gedächtnis behalten müsse, an dem er Maggie getötet habe.
    Am Samstag schliefen sie so lange, daß beim Aufwachen Maggies Haar um seine Hände und sein Gesicht geschlungen war. Sie machten ein Picknick auf dem Dach ihres Hauses, von wo aus man fast dreißig Kilometer blicken konnte. Sie gingen in einen Film, von dem sie nichts mitbekamen, und knutschten und streichelten sich gegenseitig in der letzten Reihe.
    Am Samstag abend leisteten sie sich das sündteure Restaurant, in dem Jamie sie vor elf Jahren gebeten hatte, seine Frau zu werden. Sie bestellten die erlesensten Vorspeisen auf der Karte, aßen sie mit bloßen Händen und fütterten sich gegenseitig mit abgezupften Stücken Hummer und Täubchen. Sie platzten in eine Hochzeitsfeier im Red Lion Inn in Lenox und tanzten, bis die Band ihre Instrumente verstaute.
    Am Sonntag beobachteten sie, wie die Sonne einem aufklappenden Fächer gleich über den Berkshires aufging. Sie verbrachten den Tag damit, nach intensiven Farben zu suchen dem Blau eines wolkenlosen Himmels, dem gelbsten Gelb eines Löwenzahns, dem rötesten Feuerwehrauto – damit Maggie sie mit sich nehmen konnte. Sie hielten sich gegenseitig in der Schwärze einer Nacht, in der sich der Mond aufzugehen schämte, und dachten sich Namen für die Kinder aus, die ihnen versagt geblieben waren.
    Am Montag morgen fuhren sie nach Wheelock und mieteten sich im Motel ein. Jamie kaufte eine Flasche Sekt, zu der sie eine Pizza aßen, während sie besprachen, wie es ablaufen sollte.
    Am Montag abend liebten sie sich ein letztes Mal, fielen erschöpft in Schlaf und wachten, immer noch miteinander verbunden, wieder auf.
    Dienstag morgen gab Maggie ihm den letzten Kuß.
    »Es hat keine fünf Minuten gedauert.« Jamie bohrte den Stiefel in den Schnee. »Ich habe ein Kissen genommen. Irgendwann hat sie mich gekratzt, aber das hatten wir besprochen, und ich sollte auf keinen Fall aufhören. Also habe ich mich über sie gebeugt und ihr Sachen ins Ohr geflüstert – Sie wissen schon, Sachen, von denen ich wußte, daß sie gern daran denken würde, und dann bewegte sie sich plötzlich nicht mehr.«
    Wortlos machte Graham kehrt und ging zum Fuß des Berges hinunter. Als sie die Hauptstraße im Zentrum von Wheelock erreicht hatten, drehte er sich um. Jamies Gesicht war gerötet und verquollen, seine Nase lief. Graham war überzeugt, daß er selbst genauso aussah. Das war ein weiterer Grund, weswegen sich Graham diesen Ort für das Gespräch ausgesucht hatte. Wenn ein Mann im Dezember vom Paß herunterkam, konnte man unmöglich sagen, ob sein Gesicht von der Kälte gerötet war oder ob er geweint hatte.
    »Jamie«, sagte Graham und sah seinen Mandanten an. »Ich weiß, daß Sie es wieder tun würden. Aber würden Sie diesmal irgendwas anders machen?«
    Er sah, wie Jamies Gesicht in sich zusammenfiel, während er um Beherrschung rang. »Ich würde gerne

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