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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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jenem Nachmittag geschehen können; oder drei Monate später.« Er blickte auf. »Um es ein wenig drastisch auszudrücken; man ist im Dunkeln mit einer Klapperschlange eingesperrt, die man zwar hören, aber nicht sehen kann.«
    Allie zuckte zusammen. Graham streckte instinktiv seine knochigen Finger aus und umfaßte ihre Hand. »Wann haben Sie Maggie MacDonald das letzte Mal gesehen?«
    Wharton warf einen Blick in seine Akte. »Am fünfzehnten September«, sagte er. »Sie war die letzte Patientin an diesem Tag.«
    Allie und Graham sahen sich an. »Damit blieben ihr dreieinhalb Tage«, murmelte Allie, »… um sich zu befreien.«
    Noch nie hatten sie eine so lange Zeitspanne angezogen miteinander verbracht.
    Mia kam, zwei Stunden nachdem Allie in Graham MacPhees Wagen nach Cummington losgefahren war, wo sie einige Tage übernachten würden. Sie hatte keinen Koffer dabei – das wäre anmaßend und zu auffällig gewesen. Aber sie hatte Kafka und saubere Unterwäsche in ihren Rucksack gepackt.
    Ein köstliches Prickeln bemächtigte sich ihrer bei der Aussicht, Mann und Frau zu spielen. Sie würde für Cam kochen, die ganze Nacht an seiner Seite schlafen und mit ihm vor dem Kamin sitzen, die Füße auf dem Boden ineinander verschlungen, während sie in Cams Reisemagazinen blätterten.
    »Es ist traumhaft«, sagte sie am Sonntagmorgen. Im Waffeleisen, das in einem Schrank hinter einer kaputten Kaffeemaschine verstaut gewesen war, befand sich schon der frische Teig. »Vielleicht ziehe ich gar nicht mehr aus.«
    Cam legte die Hände um den Becher mit heißer Schokolade. »Also das würde bestimmt interessant werden«, feixte er.
    Er war das ganze Wochenende nicht aus dem Haus gegangen. Mia in seinem Bademantel zu sehen, in seiner Dusche, in seinem Bett, gab ihm das Gefühl, ein Teenager zu sein, der etwas Verbotenes machte. Das Haus begann nach ihr zu riechen, und anstatt sich zu fragen, ob das vielleicht Allie auffallen würde, merkte er, wie er darüber nachsann, ob er wohl immer diesen Duft wahrnehmen würde.
    Im Augenblick hatte sie die Nase in ein Kochbuch gesteckt. Beide besaßen zugegebenermaßen kein Talent, was das Kochen anbelangte, und so mußten sie sich auf das Arsenal von Rezepten verlassen, die Allie auf einem Regal neben der Mikrowelle aufbewahrte. »Die Waffeln werden noch anbrennen«, meinte sie schnüffelnd.
    Cam starrte das Eisen an, ein großes schwarzes Ding, das in beängstigender Geschwindigkeit Rauchwolken ausstieß. »Wir hätten uns auf Eier beschränken sollen«, meinte er.
    Mia drehte sich in seinen Armen um und verschränkte die Hände in seinem Nacken. Sie strahlte ihn an. »Ach, ich weiß nicht. Wenn man schon träumt, dann lieber große Sachen, mit Vanille und Zucker.«
    Cam schlang seine Hände um ihren Hintern und hob sie auf die Küchentheke. »Wenn du es dir aussuchen könntest, wo würdest du dann hinreisen wollen?«
    Mia lächelte begeistert. Draußen wurde es allmählich wärmer, die Sonne schmolz den Schnee auf dem Dach und ließ das Tauwasser gleichmäßig vor dem Küchenfenster herabtropfen. »Kommst du mit?« fragte sie.
    »Möglich«, schränkte er ein, »hängt vom Reiseziel ab.«
    »Also gut, dann … in die Türkei.« Sie schloß die Augen und dachte an die kleine Villa am Meer, die sie damals einen Monat lang gemietet hatte: um die bezahlte Eskorte für arabische Ölmagnaten auf Besuch zu spielen. Das Haus war weiß gewesen; alles war weiß gewesen bis auf die roten Mohnblüten am Eingang und das unglaublich azurblaue Meer, das nahtlos in den Himmel überging. »Du hättest eine geräumige Pyjamahose an und würdest auf der Veranda Eiskaffee trinken.«
    »Ich trage Boxershorts im Bett und mag keinen Eiskaffee«, widersprach Cam.
    Mia sprang von der Theke und glitt an ihm herab. »Das ist meine Phantasie. Verdirb sie mir nicht.« Sie legte den Kopf schief. »Wo würdest du hinwollen?«
    Etliche Bilder zogen an seinem inneren Auge vorüber. Er stellte sich Mia in den italienischen Alpen vor, mit aus der Gondel baumelnden Skiern an den Füßen. Oder in Tokio, wo sie umringt war von kichernden japanischen Schulmädchen, die auf ihre blauen Augen zeigten. Zu guter Letzt zog er sie an der Hand durch die Hallen von Carrymuir.
    »Acht Jahre in die Vergangenheit«, antwortete er nur. »Da würde ich hinwollen.«
    Er wußte nicht, ob zutraf, was er damit unausgesprochen ließ; ob er gegebenenfalls tatsächlich alles anders gemacht hätte. Selbst wenn er Mia in den Armen hielt, konnte

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