Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
über die weißen Löcher auf der Tafel. Niemand vermochte zu sagen, was genau zwischen zwanzig Uhr dreißig am Montag abend und dreizehn Uhr am Dienstag in jenem Zimmer im Wheelock Inn geschehen war. Vielleicht hatten Jamie und Maggie einen gemeinen, erbitterten Streit gehabt. Vielleicht hatte Jamie den Verstand verloren. Oder vielleicht hatte Jamie einfach nur Abschied von ihr genommen.
    Graham ließ den Kopf hängen und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, bis es in eigensinnigen Wirbeln abstand. Er wußte, daß der kollektive Blick der Jury, genau wie sein eigener, nicht von dem Gewirr an Beweisen angezogen würde, das die Tafel bedeckte, sondern von diesen blanken Stellen. Diese blanken Stellen luden mehr zu irgendwelchen Vermutungen ein als jede Geschichte, die er zu Jamies Verteidigung ersinnen konnte. Rätsel mochte jeder; wer war nicht begeistert, wenn er an einer Geschichte mitschreiben konnte?
    Er stellte sich die unbekannten Gesichter der Geschworenen vor, die allesamt ihre eigene Version der Ereignisse in Maggies letzter Nacht erfanden, und fragte sich, ob auch nur einer davon der Wahrheit nahe kommen würde.
    Cam hatte den festen Vorsatz gehabt, in aller Ruhe eine Karte für Allie auszusuchen; doch der alkoholisierte Autofahrer, den Zandy zur Vernehmung in die Station gebracht hatte, fing plötzlich an, mit Sachen um sich zu werfen und Zandy wie auch den zweiten Einsatzbeamten zu attackieren. Nur zu dritt war es ihnen gelungen, das Arschloch festzuhalten und in eine Zelle zu bugsieren.
    »Scheiße, das ist doch nicht zu glauben«, sagte Cam zu Zandy. »Wieso werden Verrückte eigentlich immer am Wochenende verhaftet, wenn wir sie nicht zur Kautionsanhörung weiterschaffen können?«
    Der zweite Beamte, MacIver, war mittleren Alters und hatte schon unter Cams Vater als Teilzeit-Beamter gearbeitet. »Aus demselben Grund, aus dem die Kinder krank werden, wenn die Arztpraxis zu hat«, sagte er. »Nur um einen zu ärgern.«
    Der Gefangene fing an, die Zellentür zu bearbeiten. »Hey!« brüllte Cam ihn an. »Immer mit der Ruhe, ja?« Er warf einen Blick auf das Verhaftungsprotokoll und sah dann Zandy und MacIver an. »Kommen Sie beide hier klar, oder soll ich Verstärkung holen?«
    »Am besten die Nationalgarde«, brummte Zandy, während ein Speichelfladen innen an das Flexon klatschte. »Oder ein paar Eingeborene, die wir ihm als Futter zum Abendessen reichen.«
    Der Gefangene war so groß wie Cam und mit doppelt so vielen Muskeln bepackt. Cam machte sich keine Sorgen, daß der Mann ausbrechen könnte, doch er würde mit Sicherheit Nerven kosten. »Ich kann im Gericht anrufen«, schlug er vor. »Vielleicht kriegen wir jemanden her, damit er eine Kaution festsetzt, dann bitten wir den Sheriff, ihn ins County-Gefängnis zu verlegen.«
    Zandy sah Cam hoffnungsvoll an. »Was immer du meinst«, sagte er. »Aber paß auf, daß du rechtzeitig nach New Braintree losfährst.«
    Cam hatte Hannah und den anderen Beamten mitgeteilt, daß er auf eine Fortbildung gehen würde. Er wußte, daß niemand an seinen Worten zweifelte, wenn er erklärte, daß ein spezielles Wochenend-Seminar für Polizeichefs zum Thema Waffensicherheit stattfand. Mit einem Nicken verschwand er in seinem Büro und setzte sich.
    Er rief im Gericht an und brachte einen Gerichtsangestellten dazu, einen Kautionsbeamten aufzutreiben; dann legte er wieder auf. Eigentlich hatte er Mia anrufen wollen, um sich noch einmal mit ihr abzustimmen; doch die Zeit war ihm am Vormittag davongelaufen, und jetzt stand sie bestimmt schon im Blumenladen – oder fuhr sogar schon los. Seufzend stand er auf, ging aus seinem Büro und schloß die Tür hinter sich ab. »Sie sagen, sie schicken am Abend jemand vorbei«, informierte Cam Zandy. »Soll ich von unterwegs nochmal anrufen?«
    Zandy schüttelte den Kopf. »Auch wenn Sie es nicht glauben, Chief«, sagte er, »wir kommen hier möglicherweise ohne Sie zurecht.« Er grinste und nickte in Richtung Tür. »Raus – raus mit Ihnen!«
    Cam war schon auf dem Weg zu Allies Laden, als ihm ihr Valentinstagsgeschenk einfiel. Nach einem Wendemanöver mitten auf der Main Street fuhr er zu dem Kartengeschäft am anderen Ortsende. Er stellte das Radio an und sang mit Van Morrison. Als er in den Parkplatz einbog, verlas der Radiosprecher in seinem nasalen Tonfall eben die Nachrichten.
    Cam warf einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett. Zwölf Uhr. Scheiße.
    Er lief in den Kartenladen, schnappte sich eine Schachtel Pralinen, zog

Weitere Kostenlose Bücher