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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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sah die steifgebügelten Manschetten und Kragenecken an seinem Uniformhemd, die blinkenden Knöpfe und Anstecker darauf. Er dachte an das, was Cam eben zugegeben hatte, dann an Allie; und er wußte, daß, selbst wenn sich am Ende alles zurechtbog, allein ihr Herz gebrochen übrigbliebe.
    Jamie wandte sich ab. »Ich dich wohl leider auch«, schloß er die Unterhaltung.
    Ellen saß Allie gegenüber in einem leeren Zimmer im Obergeschoß. Sie nippten an ihrem Kaffee, den sie aus einem lärmenden Automaten geholt hatten.
    »Ich glaube, die Geschworenen mögen Jamie«, sagte Allie in der Hoffnung, daß das Gespräch nicht auf Cameron kam.
    »Die Frau mit den Perlen im Haar ganz bestimmt«, pflichtete Ellen ihr bei. »Die Kunstlehrerin, stimmt's?«
    »Kindergärtnerin«, korrigierte Allie. »Aber die war von Anfang an auf unserer Seite.«
    Ellen sah sie neugierig an. »Woher weißt du das?«
    Allie lachte. »Wenn man sich lang genug in Grahams Nähe aufhält, entwickelt man einen Instinkt dafür.«
    Sie hatte ihr Gesicht dem Fenster zugewandt. Es regnete, und nach dem Tauwetter gestern und den Schauern heute war praktisch kein Schnee mehr geblieben. Die Welt sah vollkommen anders aus als noch vor wenigen Tagen.
    Ellen knetete ihre Papierserviette im Schoß. Sie hatte von Allies Flohmarkt gehört; wer nicht? Gemeinsam mit Hannah hatte sie sogar ausfindig gemacht, wer was von Cams Sachen besaß Hannah mit Hilfe des Telefons, Ellen mittels Pendel. »Cam hat sich heute gut gehalten«, sagte sie und sah Allie merklich zusammenzucken.
    Die fahle Gräue des Regens legte häßliche, ineinanderlaufende Beulen und Flecken auf Allies Wangen. Als sie sich umdrehte, stockte Ellen angesichts dieser Verzerrung der Atem. »Allie«, sagte sie leise, »ich hab's gewußt.«
    »Du hast es gewußt «, wiederholte Allie, »oder du weißt es?«
    »Macht das einen Unterschied?«
    Allie wandte sich wieder ab. »Ich bin mir nicht sicher.«
    In der jungen Frau lag soviel negative unterdrückte Energie, daß Ellen glaubte, sie könnte gar nicht tief genug danach graben; an solchen Sachen waren schon Menschen von innen her verbrannt.
    »Ich will nicht darüber reden«, sagte Allie angespannt, doch dann sah sie ihre Schwiegermutter an und seufzte. »Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Er ist dein Sohn.«
    Ellen zögerte keine Sekunde. »Genauso wie du meine Tochter bist«, ergänzte sie. »Und mit einem Ersatz hätte ich mich nur schwer abgefunden.«
    Erst wollte Allie lächeln; doch statt dessen wandte sie sich wieder dem Regen zu und versuchte, die Tropfen zu zählen, die sich gegenseitig an den Rand der Fensterscheibe jagten, als läge irgendein Makel darin, allein zu bleiben.
    Ellen schüttete sich ihren Kaffee über den Schoß. »O Himmel«, jammerte sie. »Ich kann gar nicht fassen, daß ich so ein Tolpatsch bin.« Erfolglos wischte sie mit ihrer durchtränkten Serviette über den verlaufenen braunen Fleck.
    Allie sprang auf. »Hast du dich verbrüht? Ich hole noch ein paar Papiertücher.« Sobald sie das Zimmer verlassen hatte und auf dem Weg zur Toilette war, öffnete Ellen hastig ihre Handtasche und holte eine kleine Phiole mit gemahlener Ignatia heraus. Dieses Mittel hatte sie ohne Allies Hilfe hergestellt; doch sie hoffte, daß sie inzwischen genug von ihr abgeschaut hatte. Es war eine Arznei gegen Trauer, Zorn und Enttäuschung, die die eigene Seele nicht abzuschütteln vermochte.
    Als Allie zurückkam, war die Ignatia bereits in ihren Kaffee gerührt. Allie half Ellen, den Fleck auf ihrem Kleid trockenzutupfen, und beklagte den Schaden. »Das macht nichts«, meinte Ellen, »läßt sich alles reinigen.« Sie spreizte ihre Beine ein wenig und wedelte den dünnen Stoff in der stickigen Luft, um ihn trocken zu bekommen, ehe die Verhandlung weiterging.
    Sie schaute zu, wie ihre Schwiegertochter an ihrem Kaffee nippte. »Trink ihn aus«, drängte sie, als Allie die Tasse beiseite schieben wollte. »Du kannst, weiß Gott, eine kleine Stärkung gebrauchen.«
    Schließlich drehte Allie den leeren Becher um. Ein winziger Tropfen rann auf den Besprechungstisch. Ellen lächelte. Sie fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis das Mittel zu wirken begann. »Wieviel hast du eigentlich für Ians alte Fliegenangel bekommen?«
    Allie blieb ungläubig der Mund offen stehen. »Sechzig«, stotterte sie dann.
    Ihre Schwiegermutter nickte. »Alles in allem«, sagte sie, »hätte ich es auch nicht besser machen können.«
    Die Anklage hatte die

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